COVID-19 Legal Update: BaFin veröffentlicht FAQ zu ad-hoc Meldepflichten börsenotierter Gesellschaften

26. März 2020 – need2know

Die deutsche BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) veröffentlicht FAQ zu ad-hoc Meldepflichten für Insiderinformationen (Art 17 MAR) zu Folgen der COVID-19 Pandemie.

Das bietet auch Anhaltspunkte für die Handhabung durch Emittenten in Österreich. Zu ad-hoc Meldepflichten siehe auch die Übersicht COVID-19 Legal Update: Ad-hoc Meldepflichten börsenotierter Gesellschaften. 

In Österreich obliegt die Vollziehung der MAR der Finanzmarktaufsicht (FMA). Für die österreichische Verwaltungspraxis sind die FAQs der BaFin naturgemäß nicht bindend. Die FAQ des deutschen Regulators bieten aber hilfreiche Ansatzpunkte für die MAR-Anwendung bei österreichischen Emittenten. 

Im Überblick zu den BaFin-FAQ 

Stellt die Verschiebung des Dividendenzahlungsbeschlusses infolge der Verlegung der Hauptversammlung eine ad-hoc-pflichtige Insiderinformation dar? 

Allein die zeitliche Verschiebung des Dividendenzahlungsbeschlusses infolge der Verlegung der Hauptversammlung stellt im Hinblick auf die vom jeweiligen Emittenten ausgegebenen Aktien mangels erheblichen Kursbeeinflussungspotenzials keine ad-hoc-pflichtige Insiderinformation dar, weil die Verschiebung des Mittelabflusses für die Dividendenauszahlung für sich genommen in aller Regel weder signifikante Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten hat, noch sonst von einem verständigen Anleger bei seiner Anlageentscheidung bzgl. der Aktie berücksichtigt wird.

Hingegen kann die zeitliche Verschiebung des Dividendenzahlungsbeschlusses im Hinblick auf Derivate, die auf diese Aktien bezogen sind, ein erhebliches Kursbeeinflussungspotential aufweisen, so dass diesbezüglich auch Insiderinformationen entstehen können. Soweit es sich dabei nicht um vom Emittenten selbst begebene Derivate handelt, stellt dies für den Emittenten der Aktien mangels unmittelbarer Betroffenheit keine Insiderinformation dar, die der Ad-hoc-Pflicht unterliegt.

Änderung der geplanten Dividende

Losgelöst von einer Verschiebung der Hauptversammlung kann jedoch eine (geplante) Änderung der Höhe der ursprünglich avisierten Dividendenzahlung eine ad-hoc-pflichtige Insiderinformation sein. Sollte es beispielsweise zum Zeitpunkt der Verschiebung der Hauptversammlung bereits überwiegend wahrscheinlich sein, dass es zu einer erheblichen Dividendenkürzung kommen wird, stellt dies für sich genommen regelmäßig eine ad-hoc-pflichtige Insiderinformation dar.

Wesentliche Tagesordnungspunkte mit erheblichen Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage

Darüber hinaus ist zu beachten, dass im Rahmen einer Hauptversammlung auch über Tagesordnungspunkte (TO) zu entscheiden sein kann, bei welchen der Zeitpunkt der Beschlussfassung ganz wesentlich ist und sich demnach durch die Verschiebung der Beschlussfassung selbst erhebliche Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten ergeben können. Demnach kann eine ad-hoc-pflichtige Insiderinformation auch darin bestehen, dass die Entscheidung über einen Tagesordnungspunkt der Hauptversammlung aufgrund deren Verschiebung erst zu einem späteren Zeitpunkt getroffen werden kann. Dies könnte beispielsweise dann der Fall sein, wenn auf der Hauptversammlung über dringend benötigtes Kapital entschieden werden sollte. Weitere Beispiele für potenzielle Insiderinformationen können die mit der Absage der Hauptversammlung verbundene Verschiebung der Zustimmung der Hauptversammlung zu der Zahlung an die außenstehenden Aktionäre bei einem Squeeze-out sein.

Wie ist mit Prognoseänderungen als Insiderinformationen infolge der gegenwärtigen Entwicklungen rund um das Corona-Virus umzugehen?

Im Hinblick auf eine etwaige Prognoseänderung ist zu berücksichtigen, dass diese erst dann zu veröffentlichen ist, wenn sie hinreichend wahrscheinlich ist.

Sollten die Auswirkungen des Corona-Virus noch nicht vorhersehbar sein, hat der Emittent das Recht, an seiner alten Prognose festzuhalten. Allerdings ist eine Prognoseänderung nicht erst dann präzise, wenn die exakten Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage bereits vollständig bestimmbar sind. Insoweit gilt für durch das Corona-Virus ausgelöste mögliche Änderungen in der zukünftigen Geschäftsentwicklung nichts anderes als auch sonst.

Muss der Emittent daher mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass bestehende Prognosen deutlich verfehlt werden, ohne dass er bereits eine konkrete neue Prognose abgeben kann, ist dennoch vom Vorliegen einer Insiderinformation auszugehen. Zulässig wäre es in diesem Fall, dass lediglich die alte Prognose mittels einer Ad-hoc-Mitteilung „aus dem Markt genommen“ wird, ohne dass darin bereits eine konkrete neue Prognose angegeben wird. Kann der Emittent zu einem späteren Zeitpunkt eine konkrete Prognose formulieren, ist diese in der Regel ebenfalls unverzüglich per Ad-hoc-Mitteilung zu veröffentlichen. 

Ergeben sich vor dem Hintergrund des Corona-Virus Besonderheiten im Hinblick auf die Beurteilung von Geschäftszahlen als Insiderinformationen?

Wie sich das Corona-Virus auf die Quartalszahlen auswirken wird, mag derzeit noch nicht abzusehen sein. Soweit das Corona-Virus bestimmbare Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des jeweiligen Emittenten hat, mit der Folge, dass die Geschäftszahlen deutlich von ihrer relevanten Benchmark abweichen, so können diese für den Emittenten eine Insiderinformation darstellen und ad-hoc-pflichtig sein.

Vor dem Hintergrund der aktuell starken Kursschwankungen an den Börsen durch Informationen rund um das Corona-Virus und der dadurch in der Regel auch erhöhten Volatilität der einzelnen Aktie ist die Prüfung des erheblichen Kursbeeinflussungspotenzials in vielen Fällen erschwert. Nach Auffassung der BaFin dürfte daher an den Maßstab, was als „deutlich“ im obigen Zusammenhang anzusehen ist, im Einzelfall erhöhte Anforderungen zu stellen sein. Ob die Auswirkungen des Corona-Virus auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage ggf. nur einmalig sind, ist für die Bewertung hingegen unerheblich.

Ergänzend weist die BaFin darauf hin, dass allein eine starke Kursschwankung im Nachgang der Veröffentlichung von Geschäftszahlen nicht dazu führt, dass die Information automatisch als kurserheblich einzustufen ist. Vielmehr ist die Bewertung der Information im Hinblick auf ihre Kurserheblichkeit auf Grundlage einer ex-ante-Prognose vorzunehmen.

Wie sind vor dem Hintergrund der aktuellen Auswirkungen des Corona-Virus Consensusschätzungen zu bewerten, die ggf. nur teilweise bereits die Auswirkungen des Corona-Virus berücksichtigen? Wie kann die Markterwartung in diesem Fall angemessen ermittelt werden?

Die BaFin ermittelt die Markterwartung, indem sie den Mittelwert (arithmetisches Mittel) der zum Zeitpunkt der Entstehung der Insiderinformation aktuellen Analystenschätzungen (sog. Consensusschätzung) heranzieht. Bereinigungen um etwaige Ausreißer sind nach Auffassung der BaFin grundsätzlich nicht zulässig. Die BaFin weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das erhebliche Kursbeeinflussungspotenzial vor dem Hintergrund des konkreten Einzelfalls gewürdigt werden muss. Da es im Einzelfall schwierig sein kann, den Mittelwert zu bestimmen, etwa weil zu wenig Schätzungen vorhanden sind, bleibt die Ermittlung der Markterwartung bei plausibler Herleitung auf anderem Wege zulässig.

Ausnahmsweise hält die BaFin es vor dem Hintergrund der derzeitigen Auswirkungen des Corona-Virus im Einzelfall für vertretbar, eine bestehende Consensusschätzung um offensichtlich alte, die aktuelle Situation nicht berücksichtigende Schätzungen in geeigneter, objektiv nachvollziehbarer Weise, etwa durch Heranziehung aktueller Presseberichterstattung, zu bereinigen.

Zu ad-hoc Meldepflichten im Zusammenhang mit COVID-19-Folgen siehe auch COVID-19 Legal Update: Ad-hoc Meldepflichten börsenotierter Gesellschaften.

Autor: Christoph Nauer

Bei Fragen kontaktieren Sie bitte:
Christoph Nauer
Elke Napokoj
Daniel Reiter
Roland Juill

Praxisgruppe:
Bank- und Kapitalmarktrecht, Bankrecht & Finanzierung

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