Die neue EU-Verordnung über drittstaatliche Subventionen

11. Juli 2023 – need2know

Ende 2022 wurde die EU-Verordnung 2560/2022 über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen kundgemacht („Foreign Subsidies Regulation“; „FSR“). Sie gilt ab dem 12.7.2023 und soll dem Schutz des Binnenmarkts vor wettbewerbsverfälschenden Drittstaatssubventionen dienen. Die FSR ergänzt damit das etablierte System der EU-Beihilfekontrolle von mitgliedstaatlichen Subventionen um die (eingeschränkte) Kontrolle drittstaatlicher Subventionen. Die EU-Kommission ist für den Vollzug der FSR zuständig.

Die Ziele der FSRFSR sollen durch die folgenden drei Kontrollmechanismen erreicht werden:

  • Kontrolle von Drittstaatssubventionen im Zusammenhang mit M&A-Transaktionen (Anmeldepflicht bei der EU-Kommission)
  • Kontrolle von Drittstaatssubventionen im Zusammenhang mit Vergabeverfahren (Meldepflicht im Rahmen des Vergabeverfahrens)
  • Allgemeine Kontrolle von Drittstaatssubventionen (Prüfung von Amts wegen)

FSR Im M&A-Kontext tritt die FSR daher zu den sonst erforderlichen Kontroll- und Genehmigungserfordernissen der (nationalen oder EU-)Fusionskontrolle sowie der Investitionskontrolle hinzu. Zusammenschlüsse können demnach in Zukunft einer parallelen Prüfung nach den folgenden drei Prüfungsmaßstäben unterliegen: (i) Fusionskontrolle, (ii) Investitionskontrolle und (iii) Kontrolle nach der FSR.

Die Anmeldepflichten nach der FSR für Unternehmenszusammenschlüsse und im Rahmen von Vergabeverfahren sind nicht schon mit 12.7.2023, sondern erst ab 12.10.2023 (Art 54 Abs 4 FSR) anwendbar.

Wann liegt eine wettbewerbsverzerrende drittstaatliche Subvention vor?

Eine drittstaatliche Subvention im Sinne der FSR liegt – ähnlich dem Begriff der Beihilfe nach Art 107 Abs 1 AEUV –  im Wesentlichen vor, wenn ein Drittstaat einem oder mehreren am Binnenmarkt tätigen Unternehmen oder Wirtschaftszweigen durch eine finanzielle Zuwendung einen Vorteil verschafft (Art 3 Abs 1 FSR).

Maßgebliche Bedeutung für die Beurteilung einer (An)Meldepflicht nach der FSR (im M&A-Bereich sowie bei Vergabeverfahren) kommt dem Begriff der finanziellen Zuwendung zu. Die Anmeldepflicht knüpft nicht an den Begriff der drittstaatlichen Subvention an, sondern an den (weiteren) Begriff der finanziellen Zuwendung, wobei darauf abzustellen ist, ob die beteiligten Unternehmen innerhalb der letzten drei Jahre vor der potenziellen Anmeldung finanzielle Zuwendungen eines Drittstaates erhalten haben.

Der Begriff der finanziellen Zuwendung ist sehr weit und umfasst unter anderem Zuschüsse, Kredite oder Schuldenerlässe, aber auch etwa Steuerbefreiungen oder die Bereitstellung und den Erwerb von Waren/Dienstleistungen (Art 3 Abs 2 FSR). Erfasst werden Zuwendungen der Zentralregierung bzw sonstiger Behörden oder einer drittstaatlichen öffentlichen oder privaten Einrichtung (jeweils unter der Voraussetzung, dass die Handlungen dem Drittstaat zugerechnet werden können).

Eine Verzerrung auf dem Binnenmarkt liegt vor, wenn eine drittstaatliche Subvention geeignet ist, die Wettbewerbsposition eines Unternehmens auf dem Binnenmarkt zu verbessern und dadurch den Wettbewerb tatsächlich oder potenziell zu beeinträchtigen. Das ist anhand unterschiedlicher Indikatoren (zB der Höhe der Subvention oder Art der Subvention) zu beurteilen. Liegt der Gesamtbetrag einer Drittstaatssubvention für ein Unternehmen in einem Zeitraum von drei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren unter EUR 4 Mio, ist eine Wettbewerbsverzerrung unwahrscheinlich (Art 4 Abs 2 FSR). Im Allgemeinen kann die Kommission im Rahmen ihrer Prüfung die negativen Auswirkungen der Subvention gegen mögliche positive Auswirkungen der Subvention abzuwägen.

FSR in der M&A-Praxis

Besondere Bedeutung kommt der FSR für die M&A-Praxis zu. Insbesondere unter den in weiterer Folge überblicksmäßig dargestellten Voraussetzungen besteht für Unternehmenszusammenschlüsse eine Anmeldepflicht und ein Vollzugsverbot nach der FSR.

Die Definition eines Zusammenschlusses in Art 20 FSR folgt der fusionskontrollrechtlichen Definition in Art 3 FKVO. Erfasst wird demnach – so die Grundregel – sowohl der Zusammenschluss bisher unabhängiger Unternehmen als auch der Erwerb unmittelbarer oder mittelbarer Kontrolle über ein anderes (oder Teile eines anderen) Unternehmens. Eine Anmeldepflicht nach der FSR besteht, wenn folgende Anmeldeschwellen erreicht werden:

  • Mindestens ein beteiligtes Unternehmen ist in der Union niedergelassen und hat in der Union einen Gesamtumsatz von mindestens EUR 500 Mio erzielt und
  • Die beteiligten Unternehmen haben in den drei Jahren vor Vertragsabschluss, Veröffentlichung des Übernahmeangebots oder Erwerb von Kontrolle drittstaatliche finanzielle Zuwendungen von insgesamt mehr als EUR 50 Mio

Zusammenschlüsse, die diese Voraussetzungen erfüllen, müssen bei der Kommission angemeldet werden und dürfen vor der Anmeldung nicht vollzogen werden. Die Freigabe erfolgt durch:

  • Ablauf einer Frist von 25 Arbeitstagen nach Eingang der Anmeldung, wenn die Kommission binnen dieser Frist keine eingehende Prüfung einleitet (Phase I-Prüfung),
  • Ablauf einer Frist von (grundsätzlich) 90 Arbeitstagen im Fall der Einleitung einer eingehenden Prüfung innerhalb der Frist von Phase I (Phase II-Prüfung) oder
  • durch Genehmigungsbeschluss der Kommission.

Im Falle eines Verstoßes gegen das Vollzugsverbot drohen den beteiligten Unternehmen Geldbußen bis zu einer Höhe von 10% des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes.

FSR und Vergabeverfahren

Die Kontrolle von Angeboten im Zuge von Vergabeverfahren zielt auf den Schutz von Wettbewerbsverzerrungen durch ungerechtfertigt günstige Angebote ab. Es werden nur solche drittstaatlichen Subventionen berücksichtigt, die in den drei Jahren vor der Meldung gewährt wurden. Die Meldung hat durch den Teilnehmer an den Auftraggeber zu erfolgen, der diese wiederum an die Kommission weiterzuleiten hat. Eine meldepflichtige drittstaatliche finanzielle Zuwendung liegt insbesondere vor, wenn

  • der geschätzte Auftragswert mindestens EUR 250 Mio beträgt und
  • dem Teilnehmer (inklusive Tochter- und Beteiligungsgesellschaften, Hauptunterauftragnehmer und Hauptlieferanten, die am konkreten Vergabeverfahren beteiligt sind) in den drei Jahren vor der Meldung finanzielle Zuwendungen von insgesamt EUR 4 Mio pro Drittstaat gewährt wurden.

Im Falle einer Unterteilung des Auftrags in Lose besteht eine Meldepflicht, wenn

  • der geschätzte Auftragswert EUR 250 Mio übersteigt und
  • der Wert des Loses oder der Gesamtwert aller Lose, um die sich der Teilnehmer bewirbt, mindestens EUR 125 Mio beträgt und die drittstaatliche finanzielle Zuwendung mindesten EUR 4 Mio beträgt.

Sind die genannten Voraussetzungen für eine Meldung nicht erfüllt, hat der Teilnehmer in einer Erklärung zu bestätigen, dass keine Meldepflicht nach der FSR besteht.

Für die Prüfung einer Meldung durch die Kommission ist (i) eine grundsätzlich längstens 20 Arbeitstage dauernde Vorprüfung (Phase I-Prüfung) und für den Fall der Einleitung einer eingehenden Prüfung innerhalb der Phase I-Frist (ii) eine grundsätzlich längstens 110 Arbeitstage dauernde eingehende Prüfung (Phase II-Prüfung) vorgesehen.

Das Vergabeverfahren darf während der Phase I- und Phase II-Prüfung der Kommission fortgesetzt werden. Ein Zuschlag darf allerdings nicht erteilt werden. Unter anderem ein Verstoß gegen die Meldepflicht ist mit einer Geldbuße von bis zu 10% des im vorangegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes bedroht.

Prüfung drittstaatlicher Subventionen von Amts wegen

Neben den dargestellten (An)Meldepflichten sieht die FSR auch die Möglichkeit einer Prüfung drittstaatlicher Subventionen durch die Kommission von Amts wegen vor. Diese Kontrolle erfasst auch Subventionen, die innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem 12.07.2023 gewährt wurden.

Die Prüfung der Kommission ist auch hier zweistufig und gliedert sich wiederum in eine Vorprüfung (Phase I-Prüfung) und eine mögliche eingehende Prüfung (Phase II-Prüfung). Eine amtswegige Prüfung kann die Kommission einleiten, wenn sie – etwa aufgrund der Übermittlung von Informationen durch natürliche oder juristische Personen – Grund zur Annahme hat, dass eine den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subvention vorliegen könnte.

Diese amtswegige Prüfung drittstaatlicher Subventionen durch die Kommission unterscheidet sich wesentlich von der EU-Beihilfekontrolle. Die Beihilfekontrolle sieht grundsätzlich eine generelle Anmeldepflicht staatlicher Beihilfen bei der Kommission (mit Durchführungsverbot bis zur Genehmigung durch die Kommission) vor. Die FSR normiert hingegen (vom dargestellten M&A- und Vergaberechts-Bereich abgesehen) keine generelle Anmeldepflicht, sondern lediglich ein amtswegiges Prüfrecht der Kommission.

Stellt die Kommission fest, dass keine den Binnenmarkt verzerrende Drittstaatssubvention vorliegt, endet das Verfahren durch bloße Mitteilung. Wenn die Kommission hingegen eine den Binnenmarkt verzerrende Subvention annimmt, kann sie Abhilfemaßnahmen auferlegen oder (mögliche) Verpflichtungszusagen des betroffenen Unternehmens für bindend erklären. Auch einstweilige Maßnahmen sind möglich.

Bewertung und Ausblick

Mit der FSR verfolgt die EU den Ansatz, auch drittstaatliche Subventionen auf ihren binnenmarktverzerrenden Charakter zu prüfen. Es handelt sich dabei aber nicht (wie in der EU-Beihilfekontrolle) um eine generelle Prüfung von Drittstaatssubventionen, sondern vielmehr um eine Schwerpunktprüfung im Bereich von M&A-Transaktionen und Vergabeverfahren sowie einer ergänzenden allgemeinen Prüfung von Drittstaatssubventionen von Amts wegen.

Insbesondere für größere M&A-Transaktionen ergibt sich aus der FSR – über die Bestimmungen zur Fusionskontrolle und der Investitionskontrolle hinaus – ein zusätzlicher dritter Prüfungsmaßstab, den es zu berücksichtigen gilt. Auch in größeren Vergabeverfahren ist in Zukunft eine zusätzliche „Kontrollschleife“ drittstaatlicher Subventionen einzuziehen. Aufgrund der erheblichen Bußgelddrohung von bis zu 10% des im letzten Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes ist eine Detailprüfung einer (möglichen) Notifizierungspflicht in diesen Fällen geboten.

Autoren:
Astrid Ablasser-Neuhuber
Gerhard Fussenegger
Sebastian Reiter
Lukas Reiter

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Praxisgruppe:
Wettbewerbs-und Kartellrecht

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Hinweis: Dieser Artikel stellt eine generelle Information dar und ist eine zusammenfassende Darstellung einer komplexen Thematik. Er erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit und kann eine individuelle Rechtsberatung nicht ersetzen. Sollten sie Fragen haben, wenden Sie sich bitte an Ihre Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen. Wir freuen uns darauf, Sie unterstützen zu können.

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