Das neue Wertpapierfirmengesetz – ein überarbeitetes Regelwerk des europäischen Gesetzgebers zur Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen

11. Jänner 2023 – need2know

Der neue Aufsichtsrahmen, der mit 1. Februar 2023 in Kraft tritt, trägt den spezifischen Risiken und Geschäftsmodellen von Wertpapierfirmen besser Rechnung als bisher. Zu diesem Zweck unterliegen künftig kleinere (nicht-systemrelevante) Wertpapierfirmen einfacheren und risikogerechteren Aufsichtsregeln und nicht mehr den komplexen Anforderungen, welchen auch Banken unterworfen sind.

Am 20. Dezember 2017 hat die Europäische Kommission im Rahmen der Schaffung einer Europäischen Kapitalmarktunion ein Legislativpaket für einen (neuen) einheitlichen Aufsichtsrahmen für Wertpapierfirmen vorgelegt. Inhaltlich orientierte sich die Kommission dabei an Änderungsvorschläge der europäischen Aufsichtsbehörden EBA und ESMA zum bestehenden Aufsichtsregime über Wertpapierfirmen.

Das Legislativpaket der Kommission beinhaltet:

  • die direkt anwendbare Verordnung (EU) 2019/2033 über Aufsichtsanforderungen an Wertpapierfirmen (Investment Firm Regulation „IFR“) und
  • die umzusetzende Richtlinie (EU) 2019/2034 über die Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen (Investment Firm Directive „IFD“)

Mit dem neuen Wertpapierfirmengesetz („WPFG“) kommt der österreichische Gesetzgeber der Pflicht nun (etwas verspätet) nach und setzt die IFD in österreichisches Recht um.

Hintergrund der Änderung

Wertpapierfirmen unterlagen in Österreich grundsätzlich dem prudenziellen Aufsichtsregime der Kapitaladäquanzverordnung (EU) 575/2013 („CRR“) und des Bankwesengesetzes („BWG“), welche aber prinzipiell für Banken erlassen wurden und die Besonderheiten und speziellen Risiken von Wertpapierfirmen nicht im ausreichenden Maße berücksichtigten. Hintergrund einheitlicher Aufsichtsregelungen für Banken und Wertpapierfirmen war ursprünglich die Tatsache, dass beide Institute bei der Erbringung von bestimmten Wertpapierdienstleistungen konkurrierten und demzufolge der gleiche Schutz für Kunden und gleiche Wettbewerbsbedingungen gewährleistet werden sollten.

Da es sich aber bei der überwiegenden Mehrheit der Wertpapierfirmen in der EU um kleinere bis mittlere Unternehmen handelt, haben diese – bedingt durch die immer spezifischere und damit komplexer gestalteten Kapital-, Liquiditäts- und Risikomanagementanforderungen – einen unverhältnismäßigen Aufwand und übermäßige Kosten zu tragen. Durch die Revision des Aufsichtsrahmens werden daher kleinere Wertpapierfirmen künftig nicht mehr unter die ursprünglich für Banken bestimmten Vorschriften fallen, während große systemrelevante Wertpapierfirmen mit ähnlichem Risikoprofil wie Banken, auch (weiterhin) als solche reguliert werden.

Was regelt das neue Wertpapierfirmengesetz?

Um das Regelungsziel zu erreichen und der Art, dem Umfang und der Komplexität der Tätigkeiten von Wertpapierfirmen besser Rechnung tragen zu können, hat der europäische Gesetzgeber in der IFR eine Kategorisierung von verschiedenen Risikoklassen von Wertpapierfirmen vorgesehen, auf die jeweils risikosensitivere Vorschriften anzuwenden sind. Das österreichische WPFG hingegen regelt ergänzend dazu unter anderem die Anfangskapitalbestimmungen, Befugnisse und Maßnahmen der Aufsichtsbehörde (FMA), Vergütungspolitik, Governance und Sanktionen. Adressaten der IFR und des WPFG sind dabei alle Wertpapierfirmen, die nach dem WAG 2018 konzessioniert sind. Der österreichische Gesetzgeber hat folglich das WPFG nicht auf Wertpapierdienstleistungsunternehmen ausgeweitet und dementsprechend findet es auf diese auch keine Anwendung.

Kernpunkte des Gesetzespaketes sind:

  • Kategorien der Wertpapierfirmen
  • Kapital- und Liquiditätsanforderungen
  • Aufsichtsbefugnisse
  • Meldepflichten
  • Regelungen zu ICAAP/ILAAP, SREP, Governance und Vergütungspolitik

Kategorien von Wertpapierfirmen

Der neue aufsichtsrechtliche Rahmen unterteilt Wertpapierfirmen in drei Klassen:

  • Klasse 1: Systemrelevante Wertpapierfirmen (systemrelevant)
    Wertpapierfirmen, die bankähnliche Geschäfte tätigen und über Vermögenswerte (konsolidiert) iHv mindestens EUR 30 Mrd verfügen, benötigen eine Konzession als Kreditinstitut und unterliegen weiterhin dem Aufsichtsregime der CRR und des BWG. Wertpapierfirmen mit Vermögenswerten iHv mindestens EUR 15 Mrd unterliegen ebenfalls weiterhin dem Aufsichtsregime der CRR und des BWG, ohne eine Konzession als Kreditinstitut lösen zu müssen. Bei einer Bilanzsumme zwischen EUR 5 Mrd und EUR 15 Mrd kann von der FMA vorgeschrieben werden, die CRR und das BWG anzuwenden.
  • Klasse 2: Nicht-systemrelevante Wertpapierfirmen (nicht-systemrelevant)
    Überschreitet eine Wertpapierfirma die Schwellenwerte der Klasse 3 (siehe darunter) bzw fällt nicht in die Kategorie der Klasse 1, so gilt sie mit sofortiger Wirkung als Klasse 2 und unterliegt zur Gänze dem neuen maßgeschneiderten prudenziellem Regime der IFR und des WPFG, welches verhältnismäßige Kapitalanforderungen festlegt.
  • Klasse 3: Kleine und nicht verflochtene Wertpapierfirmen (nicht-systemrelevant)
    Kleine und nicht verflochtene Wertpapierfirmen dürfen keine Kundengelder halten und gewisse Schwellenwerte nicht überschreiten (zB verwaltete Vermögenswerte unter EUR 1,2 Mrd oder jährliche Bruttogesamteinkünfte unter EUR 30 Mio.). Hier kommen die IFR und das WPFG mit teilweisen Ausnahmen zur Anwendung (vereinfachtes Aufsichtsregime). Diese Kategorie ist in Österreich vorherrschend.

Kapital- und Liquiditätsanforderungen

Unabhängig von der Kategorie der Wertpapierfirma hat das Anfangskapital – und damit gleichzeitig das permanente Mindestkapital – nach dem neuen WPFG für folgende Geschäftsgegenstände mindestens zu betragen:

  • EUR 750.000, sofern der Geschäftsgegenstand den Handel für eigene Rechnung und die Übernahme der Emission von Finanzinstrumenten mit fester Übernahmeverpflichtung umfasst.
  • EUR 75.000, sofern die Wertpapierfirma keine Kundengelder oder Finanzinstrumente für Kunden hält und der Geschäftsgegenstand die Annahme und Übermittlung von Aufträgen, Ausführung von Aufträgen für Rechnung von Kunden, Anlageberatung, Portfolioverwaltung und Platzierung von Finanzinstrumenten ohne feste Übernahmeverpflichtung umfasst.
  • EUR 150.000, für den Betrieb eines MTF oder OTF.

Darüber hinaus haben Klasse 2- und 3-Wertpapierfirmen Eigenmittel in einer bestimmten Mindesthöhe zu halten, die sich aus dem jeweils höheren Wert der permanenten Mindestkapitalanforderung und dem FOR (sog fixed overhead requirement; fixe Gemeinkosten) ergibt. Dabei beträgt die permanente Mindestkapitalanforderung mindestens die Höhe des Anfangskapitals und das FOR 25 % der fixen Gemeinkosten des Vorjahres. Bei Klasse 2-Wertpapierfirmen kann sich der höhere Wert zusätzlich auch aus der Summe der anwendbaren K-Faktoren (Kapitalanforderungen in Abhängigkeit von bestimmten Risiken) ergeben.

Weiters haben Klasse 2-Wertpapierfirmen noch liquide Aktiva von mindestens 1/3 der fixen Gemeinkosten (dh 1/12 der fixen Gemeinkosten des Vorjahres) zu halten. Klasse 3-Wertpapierfirmen können von der zuständigen Aufsichtsbehörde von der Liquiditätsanforderung ausgenommen werden

Meldepflichten

Auch der Melderahmen wird auf die Größe der Wertpapierfirma abgestimmt. Folgende Informationen müssen regelmäßig der FMA gemeldet werden:

  • Höhe und Zusammensetzung der Eigenmittel,
  • Eigenmittelanforderungen,
  • Berechnung der Eigenmittelanforderungen,
  • Umfang der Tätigkeit,
  • Konzentrationsrisiko und
  • Liquiditätsanforderung, sofern sie nicht ausgenommen sind.

Klasse 2- Wertpapierfirmen haben diese Informationen vierteljährlich zu melden, während Klasse 3-Wertpapierfirmen einen Jahresbericht vorzulegen haben, dh jährlich melden müssen.

Regelungen zu ICAAP/ILAAP, SREP, Governance und Vergütungspolitik

Da Klasse 1-Wertpapierfirmen weiterhin die Regelungen des BWG einzuhalten haben, müssen – in Anlehnung darauf – Klasse 2-Wertpapierfirmen in abgeschwächter Form über wirksame Regelungen, Strategien und Verfahren verfügen, mit denen sie die Höhe, die Arten und die Verteilung des internen Kapitals und der liquiden Aktiva, die sie zur Absicherung der Risiken für angemessen halten, kontinuierlich bewerten und auf einem ausreichend hohen Stand halten können. Klasse 3-Wertpapierfirmen sind grundsätzlich davon ausgenommen, jedoch können diese von der FMA zur Einhaltung dieser Vorschriften in einem angemessenen Umfang verpflichtet werden.

Dazu hat die FMA unter Berücksichtigung des Risikoprofils und des Geschäftsmodells der Wertpapierfirma die Regelungen und Strategien zur Einhaltung der IFR und des WPFG zu überprüfen und, falls notwendig, Änderungen in den Bereichen der internen Unternehmensführung und Kontrolle sowie Risikomanagementverfahren zu verlangen und gegebenenfalls zusätzliche Kapital- und Liquiditätsanforderungen vorzuschreiben. Bei Klasse 3-Wertpapierfirmen hat die FMA im Einzelfall zu entscheiden ob eine derartige Überprüfung notwendig ist.

Unterschiede zwischen Wertpapierfirmen und Kreditinstituten werden hinsichtlich der Vergütungspolitik ersichtlich. Verglichen mit den Bestimmungen für Banken sieht das WPFG beispielsweise keinen Höchstwert für das Verhältnis zwischen dem festen und dem variablen Bestandteil der Vergütung vor, sondern legt fest, dass Klasse 2-Wertpapierfirmen selbst ein angemessenes Verhältnis festsetzen können. Bei einer internen Vergütungsrichtlinie ist allgemein darauf zu achten, dass bei Mitarbeitern, deren Tätigkeit sich wesentlich auf das Risikoprofil der Wertpapierfirma auswirkt, bestimmte Grundsätze der Vergütungspolitik berücksichtigt werden. Zusätzlich haben Klasse 2-Wertpapierfirmen über solide Regelungen für die Unternehmensführung zu verfügen, wie zB eine klare Organisationsstruktur und genau definierte Zuständigkeiten sowie eine geschlechtsneutrale Vergütungspolitik.

Auf Klasse 3-Wertpapierfirmen finden die Bestimmungen über die Vergütungspolitik und Governance mangels Risiko für die Finanzmarktstabilität grundsätzlich keine Anwendung. Die FMA kann aber angemessene Verpflichtungen auferlegen.

Sanktionen

Bei Verstößen gegen die IFR oder das WPFG drohen der betroffenen Wertpapierfirma als juristische Person Geldstrafen von bis zu 10 % des jährlichen Gesamtnettoumsatzes oder bis zum Zweifachen des aus dem Verstoß gezogenen Nutzens bzw bis zu EUR 5 Mio bei natürlichen Personen als Verantwortliche.

Notwendige Adaptierungen im BWG und WAG 2018

Auch im BWG und WAG 2018 werden Regelungen dahingehend angepasst, um den Gleichklang mit der neuen IFR und dem WPFG herzustellen. Erwähnenswert ist dabei, dass der Wertpapierdienstleistungs-Katalog im WAG 2018 auf alle MiFID II Wertpapierdienstleistungen ausgeweitet wird. Das bedeutet, dass für die Ausübung sämtlicher Wertpapierdienstleistungen – auch für jene, für die zuvor eine Bankkonzession notwendig war – zukünftig eine Konzession als Wertpapierfirma ausreichend ist. Begründet wird dieser Schritt mit der Abschaffung von Wettbewerbsnachteilen gegenüber der EU-Konkurrenz.

Autor: Philipp Gschwandtner

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Praxisgruppe:
Finanzierung & Regulierung

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Hinweis: Dieser Artikel stellt eine generelle Information dar und ist eine zusammenfassende Darstellung einer komplexen Thematik. Er erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit und kann eine individuelle Rechtsberatung nicht ersetzen. Sollten sie Fragen haben, wenden Sie sich bitte an Ihre Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen. Wir freuen uns darauf, Sie unterstützen zu können.