COVID-19 Legal Update: Haupt- und Gesellschafterversammlungen / Jahresabschlüsse / Notariatsakte

Gesellschaftsrechtliches COVID-19-Gesetz geändert

6. April 2020 – need2know

Die derzeitige Situation wirft viele Fragen im Zusammenhang mit der Abhaltung geplanter Haupt- oder Gesellschafterversammlungen, Aufsichtsratssitzungen, der Einreichung von Jahresabschlüssen oder der Errichtung von Notariatsakten auf. Mit dem Gesellschaftsrechtlichen COVID-Gesetz (BGBl. I Nr. 16/2020) wurden bereits einige notwendige Anpassungen an die derzeitige Situation vorgenommen. Mit dem 4. COVID-19-Gesetz (BGBl. I Nr. 23/2020) treten weitere Erleichterungen in Bezug auf Versammlungen, Jahresabschlüsse und Notariatsakte in Kraft, die Großteils zur Zielsetzung haben, persönliche Kontakte auf das erforderliche Minimum zu reduzieren.

Gesellschafter –und Hauptversammlungen

Ursprünglich hat das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz vorgesehen, dass für die Dauer von Maßnahmen, die zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz (BGBl I 2020/12) getroffen werden, Versammlungen von Gesellschaftern und Organmitgliedern einer Kapitalgesellschaft, einer Personengesellschaft, auch ohne physische Anwesenheit der Teilnehmer durchgeführt werden können. Mit dem 4. COVID-19-Gesetz wird diese Bestimmung insoweit angepasst, als sich diese Änderung nicht auf die Dauer von Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 beziehen soll, sondern generell bis Ende 2020. Dies gewährt österreichischen Unternehmen eine gewisse Planungssicherheit für die Abhaltung von Haupt- oder Generalversammlungen. Ergänzend wurde eingefügt, dass diese Bestimmungen nicht nur auf Kapital-, Personengesellschaften, Genossenschaften, Privatstiftungen, Vereine, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, kleine Versicherungsvereine Anwendung findet, sondern auch auf Sparkassen.

Die bereits im Gesellschaftsrechtlichen COVID-19-Gesetz vorgesehene Ermächtigung der Bundesministerin für Justiz, durch Verordnung nähere Regelungen betreffend die Durchführung der genannten Versammlungen zu treffen, die eine vergleichbare Qualität der Willensbildung gewährleisten, wird insofern erweitert, als auch andere Formen der Beschlussfassung als nur während einer Versammlung erfolgten Abstimmung zulässig sein sollen.

Die Bestimmungen des Art 32 § 1 Abs (1) Gesellschaftsrechtliches COVID-19-Gesetz über die Durchführung von Versammlungen ohne physische Anwesenheit oder die anderen Formen der Beschlussfassung gehen – als spezielle gesetzliche Regelungen – allfälligen abweichenden Satzungsbestimmungen vor. Bei den anderen Formen der Beschlussfassung ist insbesondere an schriftliche Abstimmungen zu denken. Die Verordnung soll hier noch weitere Klarheit bringen, insbesondere wie in diesem Zusammenhang eine möglichst hohe Qualität der Rechtssicherheit bei der Willensbildung im Interesse der Gesellschaft und der Gesellschafter gewährleistet werden soll.

Neben der schriftlichen Beschlussfassung soll, – wie schon im 2. COVID-19-Gesetz vorgesehen – durch den Einsatz technischer Kommunikationsmittel eine vergleichbar qualitätsvolle Willensbildung auch ohne Durchführung einer Präsenzversammlung möglich sein. Zu denken ist hier insbesondere an die bereits aus der gesellschaftsrechtlichen Praxis bekannte „qualifizierte Videokonferenz“. Es soll daher durch Art 32 § 1 2. COVID-19-Gesetz temporär eine gesetzliche Grundlage für solche virtuellen Versammlungen und andere Formen der Willensbildung (zB schriftliche Abstimmungen) geschaffen werden, wobei nähere Regelungen für einzelne oder alle Rechtsformen einer Verordnung der Bundesministerin für Justiz vorbehalten bleiben (Erläuterung IA 397/A 27. GP zu Art 32 2. COVID-19-Gesetz). Durch das 4. COVID-19-Gesetz wurden nunmehr auch Möglichkeiten geschaffen, die notarielle Beurkundung „fernmündlich“ durchzuführen (zu den Details siehe weiter unten), wodurch die Möglichkeit der qualifizierten Videokonferenz nunmehr auch für beurkundungspflichtige Sitzungen besteht.

Qualifizierte Videokonferenzen – wie in den Erläuterungen angeführt – können Unternehmen jedoch vor technische Herausforderungen stellen. Bei der qualifizierten Videokonferenz muss für alle Teilnehmer jeweils gegenseitige Sicht- und Hörbarkeit gegeben sein, die audiovisuelle Qualität muss ein authentisches Erfassen der Einzelheiten menschlicher Mimik, Gestik und Intonation ermöglichen und die Kommunikation muss vor einem Zugriff Unbefugter geschützt sein.

Wir gehen davon aus, dass für Sitzungen im kleineren Kreis, bis maximal 10-15 Personen, gängige Videokonferenzlösungen mit entsprechendem Sicherheitsstandard diese Erfordernisse gut erfüllen. Für Sitzungen im größeren Personenkreis wird man aber schon im Hinblick auf die Erforderlichkeiten einer Protokollierung und der Feststellung von Abstimmungsergebnissen auf speziellere Lösungen setzen müssen.

Es bleibt zu hoffen, dass die von der Bundesministerin für Justiz zu erlassende Verordnung hier weitere Vereinfachungen und Klarstellungen bringt.

Ordentliche Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften/GmbHs/Genossenschaften

Bereits das 2. COVID-19-Gesetz sah bis Ende 2020 eine Verlängerung der Frist innerhalb derer die ordentliche Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft stattzufinden hat, auf zwölf Monate vor. Dies gilt nunmehr auch für GmbHs und Genossenschaften, nicht jedoch für SEs.

Diese Bestimmung geht – als spezielle gesetzliche Regelung – allfälligen abweichenden Satzungs- oder Gesellschaftsvertragsbestimmungen vor. Damit können Aktiengesellschaften, GmbHs oder Genossenschaften mit Jahresabschlussstichtag 31.12. die ordentliche Haupt- oder Gesellschafterversammlung für das Geschäftsjahr 2020 bis zum 31.12.2020 verschieben, ohne Zwangsstrafen oder Weiteres zu befürchten.

Nicht möglich ist für den österreichischen Gesetzgeber eine entsprechende Anpassung für die SE zu erlassen, weil bei dieser Rechtsform der Zeitraum, innerhalb derer eine Hauptversammlung durchzuführen ist, auf unionsrechtlicher Grundlage geregelt ist. Die Erläuternden Bemerkungen zum 4. COVID-19-Gesetz halten dazu jedoch fest, dass keinem Leitungs- oder Verwaltungsorgan einer SE auch ohne explizite Ausdehnung der Frist ein Vorwurf gemacht werden kann, wenn COVID-19 bedingt keine Hauptversammlung einberufen wird.

Verlängerung der Fristen zur Aufstellung von Jahresabschlüssen

Bereits mit dem 2. COVID-19-Gesetz wurde die Frist für die Einreichung von Jahresabschlüssen um die Zeitspanne vom 22.3.2020 bis 30.4.2020 verlängert. Mit dem 4. COVID-19-Gesetz wird nunmehr festgelegt, dass die Frist von 5 Monaten zur Aufstellung der Jahresabschlussunterlagen um 4 Monate überschritten werden darf, wenn den gesetzlichen Vertretern infolge der COVID-19-Pandemie eine rechtzeitige Aufstellung nicht möglich ist. Darunter fallen die in § 222 Abs 1 UGB angeführten Unterlagen, das ist der Jahresabschluss, der Lagebericht, gegebenenfalls der Corporate Governance Bericht und der Bericht über Zahlungen an staatliche Stellen, sowie auch andere Unterlagen der Rechnungslegung, wie der Konzernabschluss, der Konzernlagebericht, gegebenenfalls der konsolidierte Corporate Governance Bericht. In gleicher Weise erstrecken sich auch die Offenlegungspflichten auf diese Unterlagen.

Aus Sicht einer guten Corporate Governance ist es empfehlenswert, diese Unterlagen auf der im Firmenbuch eingetragenen Homepage der Gesellschaft zu veröffentlichen und zur Abholung aufzulegen. Um im Sinne der Corona-Maßnahmen persönliche Kontakte zu vermeiden, sollte den Aktionären/Gesellschaftern angeboten werden, dass ihnen auf Verlangen der Jahresabschluss per Email zur Verfügung gestellt wird und sie weiters gebeten werden, von einer persönlichen Abholung Abstand zu nehmen. Bei Aktiengesellschaften oder GmbHs oder Genossenschaften mit geschlossenem Aktionärs- oder Gesellschafterkreis könnte – falls im Firmenbuch keine Homepage hinterlegt ist – eine entsprechende Information per Post zugesandt und die Versendung per Email angeboten werden.

Aufsichtsratssitzungen im 1. Quartal

Das 4. COVID-19-Gesetz stellt ausdrücklich klar, dass sollte im ersten Quartal 2020 auf Grund der COVID-19-Krise keine Aufsichtsratssitzung abgehalten worden sein, dies keine Verletzung des GmbH-Gesetzes, des AktG oder GenG darstellt.

Ausweitungen der Möglichkeiten des „Fern-Notariatsakts“ bzw notarieller Beurkundungen per Videokonferenz

Ein für die gesellschaftsrechtliche Praxis äußerst relevante Änderung findet sich im durch das 4. COVID-19-Gesetz neu eingefügten § 90a Notariatsordnung: Dieser erweitert die bisher nur in sehr eingeschränkten Ausmaß bei Gesellschaftsgründungen bestehenden Möglichkeiten der Aufnahme von „elektronischen“ Notariatsakten, sonstigen öffentlichen Urkunden oder Beglaubigungen und stellt sie allgemein zur Verfügung. Nunmehr können also bspw auch GmbH-Anteilsübertragungen oder Generalversammlungen per Videokonferenz beurkundet werden. Auch die häufig erforderlichen Unterschriftsbeglaubigungen sind jetzt per Videokonferenz möglich.

Bezüglich der Beurkundungserfordernisse wird auf die bereits durch das Elektronische Notariatsform-Gründungsgesetz in §§ 69b und 79 (9) Notariatsordnung geschaffenen Anforderungen verwiesen. Erforderlich sind also die Identifikation der Teilnehmer im videogestützten elektronischen Verfahren oder per elektronischen Ausweis gemäß der weiteren Vorgaben der Notariatskammer.

Die Erleichterungen dürfen nach dem Wortlaut von § 90a Notariatsordnung nur „zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19“ angewandt werden und wurden leider außerdem mit dem festen Ablaufdatum 31.12.2020 versehen. Es wäre aber zu hoffen, dass positive Erfahrungen mit den neuen Beurkundungsformen dazu führen, daraus eine dauerhaft gültige Regelung zu machen, da damit auch unabhängig von der konkreten Lage viel an unnötiger Reisetätigkeit und Administrativaufwand vermieden werden könnte.

Ausblick

Die aktuellen Entwicklungen verdeutlichen mehr denn je, dass elektronische Kommunikationsmittel einen unverzichtbaren Beitrag dazu leisten, die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit der Unternehmen zu jeder Zeit aufrechtzuerhalten. Es bleibt zu hoffen, dass in diesem Bereich, in dem die gesetzliche Entwicklung der technologischen bisher weit hinterhergehinkt ist, die nunmehrigen Erkenntnisse dazu genutzt werden, die gesetzlichen Rahmenbedingungen auch für die Zeit nach der COVID-Krise zukunftsfit zu gestalten und neue technologische Möglichkeiten zu berücksichtigen.

Interessant wird in diesem Zusammenhang auch die von der Bundesministerin für Justiz in diesem Zusammenhang zu erlassende Verordnung sein.

Disclaimer

Bitte beachten Sie, dass die hier gebotene Darstellung eine Rechtsberatung nicht ersetzt. Die hier dargestellten Regelungen können vom Gesetzgeber kurzfristig geändert werden. Wir laden Sie daher ein, unseren Informationsbereich wiederkehrend zu besuchen.

 

Autoren: Elke Napokoj, Stefan Gaug

Praxisgruppe: 
Gesellschaftsrecht / M&A

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