COVID-19 Legal Update: Beihilfenrechtliche Aspekte – 2. UPDATE

9. April 2020 – need2know

Für Leser, die mit unseren ersten Beiträgen zum Beihilfenrecht vertraut sind, zeigt der blaue Text an, wo weitere Aktualisierungen vorgenommen wurden, um den Änderungen vom 03.04.2020 Rechnung zu tragen.

Die Europäische Kommission hat ihren befristeten COVID-19 Beihilfenrahmen am 03.04.2020 erweitert. Unser Partner Christian F. Schneider gibt deshalb ein Update zu den aktuellen EU-beihilfenrechtlichen Aspekten.

Welche Rolle spielt das EU-Beihilfenrecht?

Nach dem Überschwappen der Corona-Pandemie auf die EU-Mitgliedstaaten haben sich rasch massive Auswirkungen auf die Wirtschaft eingestellt, sei es infolge von Unterbrechungen der Lieferketten, Lieferverzögerungen durch Grenzkontrollen oder sanitätspolizeilichen Maßnahmen, welche die Schließung von Betrieben erforderlich machen. Um diese Auswirkungen abzufangen, haben zahlreiche EU-Mitgliedstaaten Unterstützungsmaßnahmen lanciert. Für Österreich zu nennen ist hier in erster Linie das am COVID-19 Gesetz, BGBl I 2020/12, vom 15.03.2020, das als sog „Artikelgesetz“ unter anderem die Einrichtung eines COVID-19 Krisenbewältigungsfonds sowie arbeitsmarktpolitische Maßnahmen vorsieht; weitere Maßnahmen sollen folgen.

Zu beachten ist allerdings, dass derartige Maßnahmen staatliche Beihilfen darstellen, soweit dadurch Unternehmen ein wirtschaftlicher Vorteil mit Auswirkungen auf den Binnenmarkt eingeräumt wird. Solche Beihilfen sind nach Art 107 Abs 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) grundsätzlich verboten und nur ausnahmsweise zulässig; die Beihilfen dürfen dabei im Regelfall erst nach Genehmigung durch die Europäischen Kommission gewährt werden.

Gleichwohl hat die Europäische Kommission rasch reagiert und bereits am 12.3.2020 eine erste Beihilfenmaßnahme Dänemarks in Höhe von EUR 12 Mio genehmigt, die dazu dient, Schäden infolge der Absage größerer öffentlicher Veranstaltungen auszugleichen; die Genehmigung der Maßnahme erfolgte dabei durch die Kommission binnen eines Tages (!) nach der Anmeldung auf Grundlage von Art 107 Abs 2 lit b AEUV, wonach Beihilfen zur Beseitigung von Schäden, die durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Maßnahmen entstanden sind, mit dem Binnenmarkt vereinbar sind.

https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_20_454

Neben dem vorangeführten Art 107 Abs 2 lit b AEUV kommen jedoch auch andere Bestimmungen des AEUV als Grundlage für die Zulässigkeit COVID-19 bedingter Beihilfemaßnahmen in Betracht. Zu nennen ist hier insbesondere Art 107 Abs 3 lit b AEUV, wonach unter anderem Beihilfen zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden können. Unter Berufung auf diese Rechtsgrundlage hat die Kommissionsvizepräsidentin Margarethe Vestager am 17.3.2020 einen Vorschlag der Kommission für einen temporären Unionsrahmen über Beihilfemaßnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft im Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie an die Mitgliedstaaten zur Konsultation versandt und am 19.03.2020 dann endgültig veröffentlicht. Am 03.04.2020 ist der befristete Rahmen sodann geändert und erweitert worden.

Das Wesen eines solchen Unionsrahmens besteht darin, dass die Kommission durch ihn vorab bekannt gibt, wie sie bei der Genehmigung von Beihilfen der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit COVID-19 ihr Ermessen zu üben gedenkt; die Genehmigung nicht dem Unionsrahmen entsprechender Beihilfen der Mitgliedstaaten durch die Kommission wird dadurch jedoch nicht ausgeschlossen.

Was sind die Eckpunkte des Unionsrahmens?

Der Unionsrahmen ist mit 31.12.2020 befristet und ermöglicht folgende spezifische Maßnahmen:

  • Beihilfen zur Befriedigung dringender Liquiditätsbedürfnisse: Diese dürfen bis 31.12.2020 im Rahmen einer – in Österreich üblicherweise als „Förderrichtlinie“ bezeichneten – allgemeinen Beihilfenregelung (also nicht ad hoc als Einzelbeihilfe) mit einem vom Mitgliedstaat vorab geschätzten Maximalbudget als direkter Zuschuss, Vorschuss oder Steuer- bzw sonstige Zahlungserleichterung in Höhe von bis zu EUR 800.000 vor Steuern pro Unternehmen gewährt werden. Seit der Änderung zum 04.03.2020 sind auch Liquiditätshilfen in Form von Garantien, Darlehen und Eigenkapital zulässig. Für die Landwirtschaft gelten zum Teil abweichende besondere Kriterien, wobei Mischbetriebe eine getrennte Buchhaltung zu führen haben.
  • Beihilfen in Form staatlicher Prämienvergünstigungen auf Garantien für Kredite zur Finanzierung sowohl von Anlage- als auch Umlaufvermögen: Zulässig sind hier niedrige Mindestprämien für Garantien, die mit der Kreditlaufzeit steigen (zB beim KMU im 1. Jahr 25 Basispunkte, im 2. und 3. Jahr Basispunkte, im 4. bis 6. Jahr 100 Basispunkte, für Nicht-KMU gelten die doppelten Werte), wobei die Garantie spätestens am 31.12.2020 bestellt werden muss, die Kreditlaufzeit maximal sechs Jahre betragen darf und Beschränkungen der Kredit- bzw Garantiehöhe bestehen (zB maximales Kreditvolumen grundsätzlich doppelte jährliche Lohnsumme bzw 25% des Umsatzes für 2019).
  • Beihilfen in Form von Zinsvergünstigungen auf Kredite zur Finanzierung sowohl von Anlage- als auch Umlaufvermögen: Diese Maßnahme ist nur alternativ zur zuvor angeführten Prämienvergünstigung zulässig, wobei die Mindestverzinsung dem 1-Jahres-IBOR zuzüglich eines Risikoaufschlags abhängig von der Kreditlaufzeit entsprechen muss (wieder unterschiedlich für KMU und Nicht-KMU, als Aufschläge kommen dieselben Basispunkte wie bei den Garantieprämien zur Anwendung). Der Kreditvertrag muss spätestens am 31.12.2020 unterfertigt werden und darf eine Laufzeit von maximal 6 Jahren haben, es gelten dieselben Kreditvolumenbeschränkungen wie bei Garantien. Eine Kumulation mit der im vorigen Bulletpoint angeführten Beihilfen ist verboten, wenn dadurch die jeweiligen Obergrenzen überschritten werden.
  • Betreffend Garantieprämien- und Zinsvergünstigungen stellt der Unionsrahmen klar, dass beide Maßnahmen sowohl vom Staat direkt als auch unter Zwischenschaltung einer Bank gewährt werden dürfen, wobei im letzteren Fall keine Beihilfe an die Bank vorliegen soll; die Banken werden jedoch angehalten, die Vorteile aus der jeweiligen Maßnahme an die Begünstigten im größtmöglichen Ausmaß weiterzugeben.
  • Kurzfristige Exportkreditversicherungen: Dieses Beihilfeninstrument wurde per 4.3.2020 dahingehend vereinfacht, dass bis 31.12.2020 alle wirtschaftlichen und politischen Risiken, die mit Ausfuhren in die im Anhang der Kommissionsmitteilung über die kurzfristige Exportversicherung aufgeführten Länder verbunden sind, als vorübergehend nicht marktfähige Risiken. gelten.

Neu vom Unionsrahmen erfasst sind seit 3.4.2020 überdies folgende Beihilfemaßnahmen:

  • Beihilfen für COVID-19 betreffende Forschung und Entwicklung: Zulässig sind hier direkte oder rückzahlbare Zuschüsse bzw Steuervorteile, die bis 31.12.2020 gewährt werden, wobei im Falle eines Vorhabenbeginns ab dem 1.2.2020 der sog „Anreizeffekt“ unwiderleglich vermutet wird. Beihilfefähig sind sämtliche Kosten, wobei Grundlagenforschung mit 100%, industrielle Forschung und experimentelle Entwicklung hingegen mit 80% (+ 15% Bonus bei Unterstützung durch mehr als einen Mitgliedstaat bzw grenzüberschreitender Zusammenarbeit) förderbar ist. Der Beihilfenempfänger hat Unternehmen im EWR nichtexklusive Lizenzen zu diskriminierungsfreien Marktbedingungen zu gewähren.
  • Investitionsbeihilfen für die Herstellung von COVID-19 betreffenden Produkten: Als solche Produkte gelten Arzneimittel inklusive Impfstoffe, Therapien, Zwischenprodukte, pharmazeutische Wirk- und Rohstoffe, Medizinprodukte, Krankenhaus- und medizinische Ausrüstung und die dafür benötigten Rohstoffe, Desinfektionsmittel samt Zwischenprodukten und Rohstoffen, Instrumente für Datenerfassung/‑verarbeitung. Zulässig sind bis 31.12.2020 zu gewährende direkte Zuschüsse, Steuervorteile oder rückzahlbare Vorschüsse. Das Investitionsvorhaben muss binnen sechs Monaten ab Beihlifegewährung abgeschlossen werden und ist bis zu 75% der beihilfefähigen Kosten förderbar (+ 15% Bonus bei Vorhabensabschluss binnen zwei Monaten bzw bei von mehr als einem Mitgliedstaat geförderten Vorhaben; bei Überschreitung der Sechsmonatsfrist sind 25% zurückzuzahlen), wobei im Falle eines Vorhabenbeginns ab dem 01.02.2020 der sog „Anreizeffekt“ wieder unwiderleglich vermutet wird. Zulässig ist überdies die zusätzliche Gewährung einer Verlustausgleichsgarantie nach 5 Jahren. Die Kumulierung mit anderen Investitionsbeihilfen ist unzulässig.
  • Investitionsbeihilfen für Erprobungs- und Skalierungsinfrastrukturen: Gemeint sind hier Einrichtungen, die erforderlich sind, um die im vorigen Bulletpoint genannten Produkte zur ersten gewerblichen Nutzung vor der Massenproduktion zu entwickeln, zu erproben oder hochzuskalieren. Die Fördervoraussetzungen sind dieselben wie nach dem vorigen Bulletpoint; jedoch müssen zusätzlich die geförderten Einrichtungen ihre Dienstleistungen zum Marktpreis zur Verfügung stellen und den Zugang mehreren Nutzern in transparenter und nichtdiskriminierender Weise gewähren (ein bevorzugter Zugang für Unternehmen, die mindestens 10% der Investitionskosten getragen haben, ist jedoch zulässig).
  • Beihilfen in Form einer Stundung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen: Nach welchen Kriterien die Kommission solche Beihilfen beurteilen wird, bleibt vage. Fest steht nur, dass die Stundung bis spätestens 31.12.2020 gewährt werden muss und nicht über den 31.12.2022 hinaus gehen darf.
  • Beihilfen in Form von Lohnzuschüssen für Arbeitnehmer zur Vermeidung von Entlassungen während des Ausbruchs von COVID-19: Derartige Lohnzuschüsse dürfen im Rahmen einer Beihilfenregelung bis 31.12.2020 gewährt werden, wobei die Beihilfe mit grundsätzlich maximal 80% des Bruttolohns zuzüglich Lohnnebenkosten gedeckelt ist. Keine Beihilfe, die der 80%-Deckelung unterliegen würde, liegt jedoch vor, wenn – wie das österreichische COVID-19 Kurzarbeitsmodell – die Lohnzuschüsse nicht selektiv einzelnen, sondern allen Unternehmen und Wirtschaftszweigen gewährt werden.

Die in den ersten drei Bulletpoints der Ergänzung per 03.04.2020 angeführten Beihilfen dürften nicht kumuliert werden, soweit die Kumulierung dieselben Kosten betrifft.

Gewähren Mitgliedstaaten an Unternehmen, die infolge der COVID-19 Krise in Schwierigkeiten geraten sind, Beihilfen nach Art 107 Abs 2 lit b AEUV (zu diesem siehe bereits oben), so soll der im Zusammenhang mit Beihilfen an Unternehmen in Schwierigkeiten geltende Grundsatz der Einmaligkeit der Beihilfe nicht anwendbar sein, weil es sich eben um keine Beihilfe an Unternehmen in Schwierigkeiten im eigentlichen Sinn handelt.

Wichtig zu erwähnen ist auch, dass die Mitgliedstaaten die angeführten Maßnahmen (außer bei der Exportkreditversicherung, der Steuer- und SV-Beitragsstundung und den Lohnzuschüssen) nur zugunsten von Unternehmen gewähren dürfen, die nicht bereits am 31.12.2019 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten waren.

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52020XC0320(03)&from=EN

Ergänzung per 03.04.2020:

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52020XC0404(01)&from=EN

Wie ist das Procedere?

Aus dem Charakter als sog „Unionsrahmen“ ergibt sich zwangsläufig, dass die dort angeführten Beihilfemaßnahmen durch die Mitgliedstaaten nur mit Genehmigung der Europäischen Kommission implementiert werden dürfen. Da die Kommission die bereits erwähnte Beihilfenregelung in Dänemark innerhalb eines Tages (Notifizierung am 11.03.2020, Genehmigung am 12.03.2020) genehmigt hat, ist allerdings davon auszugehen, dass die Kommission auch in anderen Fällen ähnlich rasch vorgehen wird. So hat beispielsweise die Kommission auf Basis des neuen Unionsrahmens eine französische Beihilfenregelung binnen 48 Stunden genehmigt.

Wie verhält sich der Kommissionsvorschlag zu anderen Beihilfenmaßnahmen?

Der erwähnte Kommissionsvorschlag schließt freilich nicht aus, dass die Mitgliedstaaten statt dessen oder zusätzlich auf andere, bereits bekannte, zulässige Beihilfeninstrumente zurückgreifen.

Auch hat die Kommission für Mitgliedstaaten, die Beihilfen nach Art 107 Abs 2 lit b AEUV zur Beseitigung von Schäden infolge außergewöhnlicher Maßnahmen gewähren wollen, jüngst eine Checkliste veröffentlicht, um eine möglichst rasche Bearbeitung zu ermöglichen.

https://ec.europa.eu/competition/state_aid/what_is_new/Notification_template_107_2_b_PUBLICATION.pdf

 

Autor: RA Priv.-Doz. DDr. Christian F. Schneider

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christian.schneider@bpv-huegel.com

Praxisgruppe
Öffentliches Wirtschaftsrecht

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