Die WEG-Novelle 2022: (Nicht nur) Punktuelle Änderungen als Beitrag zum Klimaschutz
Die Beschlussfassung über den Ministerialentwurf zur Gesetzesnovelle, mit welcher das WEG 2002 geändert wird, erfolgt voraussichtlich im Herbst 2021, sodass mit einem Inkrafttreten der Änderungen mit 01.01.2022 zu rechnen ist. Die WEG-Novelle 2022 steht im Zeichen der klimapolitischen Vorhaben des Regierungsprogramms 2020-2024 und sieht die Verringerung des Energiebedarfs im Gebäudesektor sowie die Förderung des Ausstiegs aus fossilen Brennstoffen vor. Zu einer – wie zum Teil erhofften – weitreichenden Reform des WEG 2002 kommt es dadurch allerdings nicht. Dies erfordere nach den Ausführungen in den Erläuterungen des Ministerialentwurfes zunächst einen langfristigen Diskurs, der jedoch nicht die Umsetzung der nachfolgend angeführten Vorhaben hindern soll. Was kommt nun also Neues?
1. Wer schweigt, stimmt zu
Nach der derzeitigen Rechtslage bedarf es bei Änderungen an Wohnungseigentumsobjekten der Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer, sofern deren schutzwürdige Interessen beeinträchtigt werden könnten (§ 16 Abs 2 WEG 2002). Die Zustimmungseinholung obliegt dem änderungswilligen Wohnungseigentümer, der zunächst mit seinem Anliegen alle übrigen Wohnungseigentümer erreichen muss, um sie in weiterer Folge zu deren Zustimmung zum Änderungsvorhaben bewegen zu können. In der Praxis handelt es sich dabei um nicht zu vernachlässigende Hürden, insbesondere wenn die Zustellanschriften nicht jener der Wohnungseigentumsliegenschaft entsprechen oder der Verwaltung die Weitergabe der Zustellanschrift untersagt wurde.
Erleichtert werden soll dies nunmehr durch eine Neuregelung des § 16 WEG 2002, sodass bei gewissen privilegierten Maßnahmen eine Zustimmungsfiktion vorgesehen ist. Umfasst sich hiervon die Anbringung von Photovoltaikanlagen an Reihenhäuser bzw. Einzelgebäude, (Langsam-)Ladevorrichtungen für Elektrofahrzeuge (hierdurch erfolgt eine Positivierung der sich aus der OGH-Entscheidung 5 Ob 173/19f ergebenden Erleichterungen), Beschattungsvorrichtungen (sofern sich diese harmonisch in das Erscheinungsbild des Hauses einfügen), einbruchssicherer Türen sowie behindertengerechter Ausgestaltungen (Treppenlifts, Rampen). Der Vorteil der Zustimmungsfiktion liegt darin, dass bei qualifizierter Verständigung (Papierform oder – sofern der Empfänger dies verlangt – elektronische Zustellung) mit klarer und verständlicher Beschreibung der Änderung die Zustimmung des Wohnungseigentümers als erteilt gilt, wenn dieser binnen zwei Monaten ab Zugang der Mitteilung über das Änderungsvorhaben nicht widerspricht.
Entschärft wird die Zustimmungsfiktion durch § 16 Abs 5 letzter Satz WEG 2002, wonach ein Wohnungseigentümer eine wesentliche und dauernde Beeinträchtigung seines Wohnungseigentumsobjektes selbst dann nicht zu dulden hat, wenn dem Vorhaben nicht widersprochen wurde. Zwar findet sich in den Erläuterungen der Hinweis, dass hiervon nur „wirklich ernsthafte und nicht bloß vorübergehende Beeinträchtigungen“ umfasst sind, dennoch handelt es sich unseres Erachtens um einen äußerst unbestimmten Begriff, mit dessen Abgrenzung wohl künftig die Gerichte befasst werden.
2. Unterlassungspflicht der Nutzung einer Einzelladestation
Eine weitere Zielsetzung der Gesetzesnovelle ist Gemeinschaftsladestationen zu fördern, weil diese im Vergleich zur Verwendung mehrerer Einzelladestationen die Ladeleistung optimieren und Lastspitzen vermeiden. Aufgrund dessen wird in § 16 Abs 8 WEG 2002 die Pflicht zur Unterlassung der Nutzung einer Einzelladestation normiert, sofern dies durch Beschluss der Eigentümerversammlung verlangt wird und hierdurch die elektrische Versorgung der Liegenschaft besser genützt wird. Des Weiteren tritt die Unterlassungspflicht frühestens fünf Jahre nach Errichtung der Einzelladestation ein.
3. Auskunftspflicht des Verwalters
Der OGH hat in der Entscheidung 5 Ob 175/08h anerkannt, dass der Verwalter dem Wohnungseigentümer auf Verlangen die Zustellanschriften der übrigen Wohnungseigentümer bekanntzugeben hat, sofern dem keine entgegengesetzte Weisung des (anderen) Wohnungseigentümers entgegensteht. Erteilt ein Miteigentümer eine derartige Weisung, so hat der änderungswillige Wohnungseigentümer die Bekanntgabe nach derzeitiger Rechtslage im streitigen Verfahren durchzusetzen.
Um dies zu vereinfachen und zur Umsetzung der Zustimmungsfiktion beizutragen, sieht der neue § 20 Abs 8 WEG 2002 vor, dass eine Auskunftspflicht des Verwalters über die Namen und die Zustellanschriften der anderen Wohnungseigentümer besteht. Voraussetzung ist, dass die Bekanntgabe erforderlich ist, um sich aus dem Wohnungseigentum ergebende Rechte durchzusetzen und die Daten ausschließlich für den genannten Verwendungszweck verwendet werden. E-Mail-Adressen sind nur mit Zustimmung des Wohnungseigentümers bekannt zu geben. Zwar kann auch weiterhin die Weitergabe der Zustellanschrift untersagt werden, allerdings ist dann eine andere inländische Anschrift oder eine E-Mail-Adresse bekannt zu geben.
4. Neue vereinfachte Möglichkeit der Beschlussfassung
Derzeit erfolgt die Willensbildung der Wohnungseigentümergemeinschaft durch Mehrheitsbeschluss der Miteigentumsanteile. Durch die vermehrte Verwendung von Immobilien als Investitionsobjekte kam es zum Absinken der Beteiligung an Willensbildungsprozessen. Dies führte zum Teil dazu, dass Verbesserungsmaßnahmen (dh Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung) nicht umgesetzt werden können, weil hierfür die aktive Zustimmung von mehr als der Hälfte der Wohnungseigentümer (berechnet nach Miteigentumsanteilen) nicht erlangt werden konnte.
Die in § 24 Abs 4 WEG 2002 neu geschaffene alternative Beschlussfassungsmöglichkeit erfordert keine Mehrheit der Miteigentumsanteile. Voraussetzung ist das Vorliegen einer qualifizierten Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Zum einen ist eine 2/3 Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich, wobei die Berechnung nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile erfolgt. Zum anderen müssen die sich für den Beschluss aussprechenden Stimmen mindestens 1/3 aller Miteigentumsanteile repräsentieren.
Ermöglicht wird künftig die elektronische Teilnahme an Eigentümerversammlungen, wodurch die Willensbildung erleichtert werden soll. Zu beachten ist dabei allerdings, dass lediglich hybrid abgehaltene Versammlungen vom Gesetz erfasst sind – eine gänzlich online vorgenommene Beschlussfassung ist nicht vorgesehen.
5. Die neue Mindestrücklage
Zuletzt soll die Mindestdotierung der Rücklage dazu führen, dass häufiger in notwendige Erhaltungsarbeiten sowie bauliche bzw. anlagentechnische Maßnahmen investiert wird. Hintergrund der Bestimmung ist der Gedanke, dass bei Bildung einer entsprechenden Rücklage eher die Bereitschaft zur Vornahme der Investition besteht, als bei Finanzierung des Investments im Rahmen einer Sonderbelastung der Eigentümergemeinschaft (etwa durch Darlehensaufnahme bzw. Sondervorschreibungen).
Erreicht werden soll dies durch die Normierung eines gesetzlichen Mindestbetrages für die monatliche Dotierung der Rücklage, der sich am Kategoriebetrag für die Ausstattungskategorie D nach dem MRG orientiert und derzeit 0,90 Euro pro Quadratmeter Nutzfläche beträgt (aufgrund der gesetzlichen Valorisierung demnächst jedoch um rund 5% erhöht wird). Die Unterschreitung des Betrages ist nur in Ausnahmefällen erlaubt. Einerseits „wegen des besonderen Ausmaßes der bereits vorhandenen Rücklage“, dh sofern die Rücklage einen außergewöhnlich hohen Stand aufweist. Andererseits bei erst vor Kurzem vorgenommener grundlegender Sanierung des Gebäudes, sodass über viele Jahre hinweg kein Investitionsbedarf zu erwarten ist. Kritisieren lässt sich dabei zum einen die unscharfe Formulierung der Ausnahmen sowie der Umstand, dass das „Parken“ des Geldes in der Rücklage in Zeiten eines niedrigen Zinsumfeldes ertragsreiche Investitionen verhindert.
Autoren:
Michaela Pelinka
Christian Klein
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