OGH lässt Abtretung von Anfechtungsansprüchen in der Insolvenz zu

8. Oktober 2019 – need2know

Anlassfall

Ein Masseverwalter hatte, bedingt durch Masseunzulänglichkeit, keine Möglichkeit gesehen einen potentiellen Anfechtungsanspruch in der Insolvenz des schuldnerischen Unternehmens selbst durchzusetzen und diesen daher entgeltlich an einen Dritten abgetreten. Im darauffolgenden Anfechtungsprozess zwischen dem Dritten und dem Anfechtungsgegner hatte dieser unter anderem die Aktivlegitimation des Klägers bestritten, weil eine Zession von insolvenzrechtlichen Anfechtungsansprüchen nicht zulässig wäre. Diese Rechtsansicht wurde bisher nicht nur von der ganz überwiegenden Lehre gestützt, sondern auch von den beiden Unterinstanzen, die das Klagebegehren deswegen abwiesen, bestätigt. Der OGH war jedoch anderer Ansicht und hat die Zession für prinzipiell zulässig erachtet. (17 Ob 6/19k)

Der Sachverhalt ist einfach, die Rechtsfrage allerdings komplex

Die spätere Schuldnerin hatte im anfechtungsrelevanten Zeitraum drei Liegenschaften an die Beklagte veräußert. Die Beklagte stand in einem Naheverhältnis zur Schuldnerin (Ehefrau des faktischen Geschäftsführers), der Kaufpreis erschien dem Masseverwalter offenbar als unangemessen gering, sodass dieser einen Anfechtungsanspruch wegen Benachteiligungsabsicht innerhalb der familia suspecta vermutete (§§ 28 Z3 iVm 32 IO). Im Vermögen der Schuldnerin waren keine ausreichenden Geldmittel vorhanden, die es dem Masseverwalter erlaubt hätten zu prozessieren (die Gewährung von Verfahrenshilfe in der Insolvenz ist ausgesprochen restriktiv), sodass dieser – um überhaupt Geld in die Masse zu bekommen – die Ansprüche mit Zustimmung des Gläubigerausschusses um den geringen Betrag von EUR 5.000,00 an eine neu gegründete Gesellschaft abtrat. Diese Gesellschaft machte daraufhin den Anspruch in Höhe von rund EUR 470.000,00 im eigenen Namen geltend. Die Beklagte wendete (unter anderem) ein, dass die Aktivlegitimation der Klägerin fehle, da eine Zession von insolvenzrechtlichen Anfechtungsansprüchen nicht zulässig wäre.

Mit dieser Rechtsansicht befand sich die Beklagte bis zur vorliegenden Entscheidung auch in guter Gesellschaft, die überwiegende Lehre vertrat diese ebenso. In Deutschland wurde dies vom BGH zwar schon länger anders gesehen, die deutsche Rechtslage ist allerdings mit jener in Österreich nicht zur Gänze vergleichbar, da die österreichische Rechtsprechung den Anfechtungsanspruch primär als Rechtsgestaltungsanspruch auf Unwirksamerklärung einer zunächst gültigen Rechtshandlung qualifiziert, während in Deutschland der Anfechtungsanspruch als schuldrechtlicher Anspruch auf Rückgewähr charakterisiert wird.

Der OGH widersprach in der vorliegenden Entscheidung der herrschenden Lehre und seinen beiden Unterinstanzen und ließ die Abtretung zu. Weder sah er ein „höchstpersönliches Recht des Masseverwalters für Dritte“ als gegeben an, noch konnte er insolvenzrechtliche Hindernisse für eine Abtretung erkennen. Dies erstaunt auf den ersten Blick, da gemäß § 27 IO durch die Anfechtung Rechtshandlungen „den Insolvenzgläubigern gegenüber als unwirksam“ erklärt werden können und jede Anfechtung nach ständiger Rechtsprechung auch „befriedigungstauglich“ sein muss. Letzteres bedeutet, die Anfechtung muss zur Vermehrung der Insolvenzmasse führen, was ja evidenter Maßen aufgrund des bereits in die Masse geflossenen Abtretungspreises und in Ermangelung einer Beteiligung der Masse an einem potentiellen Prozesserfolg nicht der Fall ist. Dennoch hielt der OGH in der Zusammenfassung der Entscheidung fest:

„Die (entgeltliche) Abtretung von Anfechtungsansprüchen nach der IO ist jedenfalls dann wirksam, wenn sie neben dem Anspruch auf Rechtsgestaltung (Unwirksamerklärung iSv § 27 IO) auch einen auf dieser Rechtsgestaltung beruhenden Leistungsanspruch (§ 39 IO) erfasst. Anderes gilt nur dann, wenn eine solche Abtretung rechtsmissbräuchlich oder offenbar insolvenzzweckwidrig erfolgt. Auf die Angemessenheit des Abtretungspreises kommt es dabei nicht an.“

Auswirkungen auf die Praxis

Durch die gegenständliche Entscheidung wird es einerseits Masseverwaltern auch bei Vorliegen von Massearmut ermöglicht, Anfechtungsansprüche im Sinne der Gläubiger zu Geld für die Masse zu machen, andererseits tut sich für Interessierte ein möglicher Weise lukrativer Geschäftszweig auf. Wie der vorliegende Fall zeigt, ist das Verhältnis zwischen Abtretungspreis und (möglichem) Anfechtungsanspruch doch erheblich, sodass es für interessierte Dritte lukrativ sein kann mögliche Anfechtungsansprüche „im großen Stil“ aufzukaufen und etwaige einzelne Prozessverluste dabei mit einzukalkulieren. Der OGH hat jedenfalls an der Diskrepanz zwischen Abtretungspreis (EUR 5.000,00) und möglichem Anfechtungsanspruch (ca. EUR 470.000) keinen Anstoß genommen, sondern angeführt, dass ein zu niedriger Abtretungspreis die Abtretung nur dann unwirksam machen könnte, wenn die Zession objektiv insolvenzzweckwidrig war, was aber schon wegen der bestehenden Massearmut, die eine eigene Prozessführung durch den Masseverwalter verhindert hatte, verneint wurde.

Autor:
Georg Rupprecht

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Praxisgruppe:
Insolvenz und Sanierung

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