Private Enforcement im Bereich „Greenwashing“? Neue Haftungsrisiken für Unternehmen!

29. März 2023 – need2know

Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind die Themen unserer Zeit. Verbraucher und Unternehmen befinden sich in einem Spannungsfeld: Konsum, Wohlstand und Gewinn auf der einen Seite, Zukunft, Gesundheit und Umwelt auf der anderen.

Verständlich ist, dass auch Werbung und Produktmarketing bewusst auf Umweltthemen und nachhaltiges Wirtschaften setzen. Diverse Öko-Label und Werbeaussagen wie „umweltfreundlich“, „klimaneutral“, „biologisch abbaubar“ oder „biobasiert“, „CO2–freundlich“, „CO2-neutral“, „naturfreundlich“ und ähnliches haben Hochkonjunktur.

Aber was bedeuten sie wirklich? Welcher Eindruck entsteht bei den Konsumenten, wenn sie derartige Werbebotschaften hören und sehen? Das ist nicht immer einfach festzustellen, entscheidet aber darüber, ob sie zulässig sind oder eine wettbewerbsrechtlich relevante Irreführung bewirken. Nach einer Studie der Kommission aus dem Jahr 2020 wurden 53,3% der geprüften Umweltaussagen in der EU als vage, irreführend oder unfundiert beurteilt und 40% waren nicht belegt.[1] Die Kommission hat daher aktuell einen Vorschlag für eine Richtlinie gegen „Green Claims“ vorgelegt.

Schon bisher konnte „Greenwashing“ als unlauterer Wettbewerb geahndet werden. Hier wird schon seit Beginn ein strenger Maßstab angelegt, ähnlich wie im Bereich der Gesundheitswerbung. Dabei kommt es nach der Judikatur darauf an, wie ein ökobewusster, sozialer, sensibler Durchschnittsverbraucher die Werbeaussage versteht. Mit Umwelthinweisen durfte schon bisher nur geworben werden, wenn sie eindeutig belegt sind und eine Irreführung für die umworbenen Verbraucher ausgeschlossen ist. Mehrdeutige Aussagen wie „biologisch“, zB für „Bio-Ziegel“ sind dabei für denjenigen, der sie verwendet, im ungünstigsten Sinn auszulegen. Auch Angaben wie „erster klimaneutraler Stempel“ können weitere Angaben erforderlich machen, etwa, wenn sich diese in Wahrheit nur auf einen Teil des Produktes bezieht.

Im Rahmen der „Green Claims“ Richtlinie sollen nun noch konkrete „per-se Verbote“ ergänzt werden. Die davon erfassten Werbaussagen sind jedenfalls unzulässig, eine Prüfung, wie der Verbraucher sie versteht, ist nicht mehr erforderlich. Ein solches per-se Verbot soll zukünftig auch Umweltaussagen in Bezug auf das gesamte Produkt erfassen. Diese sind immer häufiger der Fall, unter anderem auch in Bezug auf Verpackungen. Wird zB nur die Flasche eines Reinigungsmittels aus recyceltem Kunststoff hergestellt und nicht auch der Sprühkopf, ist auch darüber ein klarstellender Hinweis erforderlich. Die pauschale Angabe „Verpackung aus recyceltem Kunststoff“ fiele in diesem Fall zukünftig bereits unter ein solches neues per-se Verbot.

Zu beachten ist, dass die neuen Regelungen auch der Ressourcenschonung dienen sollen. Angaben wie „Druckerpatrone leer“ kennen wir alle und wohl auch, dass dennoch viele bedruckte Seiten Papier aus dem Drucker kommen, bevor diese tatsächlich leer ist. Der Umweltaspekt einer sogenannten „vorzeitigen Obsolenz“ ist klar: ein vorzeitiger Austausch, der noch nicht nötig wäre, führt zu einem erhöhten Verbrauch, der zwar dem Hersteller mehr Umsätze verschafft, aber Ressourcen verschwendet. Auch das könnte nach den Intentionen der Europäischen Kommission und infolge dessen auch des nationalen Gesetzgebers schon bald „per se“ unzulässig sein.

Geplant ist weiters, den Wildwuchs an Nachhaltigkeitssiegeln einzudämmen und diese als „unlauter“ im Sinne des UWG zu qualifizieren, wenn sie nicht entweder auf einem vorab genehmigten Zertifizierungssystem beruhen oder von einer staatlichen Stelle festgesetzt wurden. Ausgenommen davon sind die bereits existierenden EU-Umweltzeichen oder das EU-Bio Logo.

All diese Änderungen führen zu einer erheblichen Ausweitung des Haftungsrisikos für Unternehmen, die sich „grüner“ und nachhaltiger Werbebotschaften bedienen. Ein Kernstück der geplanten Neuordnung ist nämlich auch ein erweitertes Konsumentenschadenersatzrecht: Unabhängig davon, dass Mitbewerber bereits jetzt gerichtlich gegen „Greenwashing“ als unlautere Geschäftspraktiken vorgehen und Ansprüche auf Unterlassung, Schadenersatz und ggf entgangenen Gewinn geltend machen können, wurde kürzlich auch das Schadenersatzrecht von Verbrauchern erweitert[2]. Ausdrücklich sind nun Unternehmen dazu verpflichtet, Verbrauchern den Schaden zu ersetzen, den diese durch eine geschäftliche Entscheidung erlitten haben, die sie aufgrund einer irreführenden, aggressiven oder anderen explizit aufgezählten unlauteren Geschäftspraktik getroffen haben. Wie auch im allgemeinen Schadenersatzrecht bedarf es eines tatsächlichen Schadens, den der Verbraucher beweisen muss, und einer rechtswidrigen Handlung. Diese liegt im Fall einer irreführenden bzw sonst unlauteren Geschäftspraktik, wie im Fall einer „Grünfärberei“ vor, muss aber für diesen Schaden kausal gewesen sein.

Wenn man bedenkt, dass sogar in den sogenannten „emission claims“, also Prozessen von Verbrauchern, die wegen angeblich erhöhten CO2-Ausstoßes ihrer Fahrzeuge Schadenersatz verlangen unter anderem auch irreführende Wettbewerbshandlungen als Grundlage herangezogen werden, muss man davon ausgehen, dass diese Fälle in Zukunft jedenfalls an Bedeutung gewinnen. Mit den neuen Regelungen wird ein erweitertes Private Enforcement für „Grünfärberei“ eingeführt. Eine kritische Prüfung ist bei der Planung einer Werbestrategie daher geboten und sollte im Zweifelsfall auch vorab eine externe Begutachtung beinhalten, bevor umweltbezogene „claims“ verwendet werden.

Autor:
Mag. Andrea Zinober, LL.M.

Bei Fragen kontaktieren Sie bitte:
Mag. Andrea Zinober, LL.M. (andrea.zinober@bpv-huegel.com)

Praxisgruppe:
Unfair Competition, Litigation

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Hinweis: Dieser Artikel stellt eine generelle Information dar und ist eine zusammenfassende Darstellung einer komplexen Thematik. Er erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit und kann eine individuelle Rechtsberatung nicht ersetzen. Sollten sie Fragen haben, wenden Sie sich bitte an Ihre Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen. Wir freuen uns darauf, Sie unterstützen zu können.

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[1] Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 22. März 2023; Verbraucherschutz: nachhaltige Kaufentscheidungen ermöglichen und Greenwashing beenden, IP/23/1692.

[2] § 16 UWG idgF BGBl I Nr. 110/2022