Die neue EU-Entsenderichtlinie – Was sich ändert und was es dabei zu beachten gilt

27 November 2019 – need2know

Am 30.7.2020 ist es soweit! Etwas mehr als ein halbes Jahr dauert es noch, bis die neue Entsenderichtlinie der EU (2018/957/EU) ins nationale Recht der Mitgliedsstaaten umgesetzt sein muss. Diese Richtlinie, welche die „alte“ Entsenderichtlinie aus 1996 ändert, bringt Neuerungen und Klarstellungen für den grenzüberschreitenden Einsatz von Arbeitnehmern.

Ausgangslage – Die Entsendung von Arbeitnehmern
Das Recht, als Unternehmer Arbeitnehmer in andere EU-Mitgliedsstaaten zu entsenden, folgt aus der Dienstleistungsfreiheit. Eine Entsendung liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer während eines begrenzten Zeitraums seine Arbeitsleistung im Hoheitsgebiet eines anderen EU-Mitgliedsstaats als desjenigen erbringt, in dessen Hoheitsgebiet er normalerweise arbeitet. Während einer Entsendung würde der Arbeitnehmer, obwohl er im Ausland tätig ist, grundsätzlich weiter dem Recht seines Herkunftsstaates unterliegen. Dass dadurch der Umgehung von nationalen Vorschriften Tür und Tor geöffnet wird, hat der europäische Gesetzgeber in den 90ern erkannt und entsprechende Vorschriften dagegen erlassen. Diese wurden nun durch die neue Entsenderichtlinie einer Überarbeitung unterzogen.

Änderungen durch die neue Entsenderichtlinie
Schon bisher waren entsandte Arbeitnehmer insofern geschützt, als die Einhaltung eines „harten Kerns“ an arbeitsrechtlichen Vorschriften des Empfangsstaates vorgeschrieben wurde. Dieser Schutz wird in Zukunft deutlich verstärkt, vor allem sind nicht mehr bloß die Mindestlohnsätze, sondern alle die Entlohnung ausmachenden Bestandteile, somit auch Zulagen, Zuschläge, Sonderzahlungen oder Prämien auf entsandte Arbeitnehmer zu erstrecken, und zwar vom ersten Tag der Entsendung an. Entsandte Arbeitnehmer sollen entgeltrechtlich daher weitgehend gleich behandelt werden wie lokale Arbeitnehmer („Equal-Pay“). Zudem gelten nun ab einer Entsendedauer von 12 bzw gegebenenfalls 18 Monaten grundsätzlich alle Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen im Empfangsstaat, mit einigen wenigen Ausnahmen.

In Österreich hat der Gesetzgeber die Vorschriften zur Entsendung 2017 ins Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) verschoben und ist dabei zum Teil deutlich über das hinausgegangen, was das EU-Recht verlangen würde. Eine nationale Umsetzung zur neuen Entsende-Richtlinie ist derzeit noch nicht in Sicht.

Ausblick – eine unvollständige Umsetzung?
In der Praxis hat es sich freilich längst erwiesen, dass ein europaweiter Wettbewerb nicht nur über die arbeitsrechtlichen Vorschriften, sondern auch über Lohnnebenkosten, wie insbesondere die Sozialversicherung, geführt wird. An den diesbezüglichen Vorschriften der Verordnung 883/2004 und der dazu ergangenen Durchführungsverordnung wird durch die neue Entsenderichtlinie nichts geändert. Auch weiterhin unterliegen entsandte Arbeitnehmer daher für 24 Monate dem Sozialsystem ihres Herkunftsstaates, was durch dessen Krankenversicherungsträger mittels des Formulars A1 nachgewiesen wird. Somit bleibt – über die unterschiedlichen Beitragsniveaus – ein völlig legaler Wettkampf mit Arbeitskosten auch nach der neuen Entsenderichtlinie möglich.

Von gleichen Bedingungen für gleiche Arbeit kann also weiterhin nicht wirklich die Rede sein. Zuletzt haben auch Fragen zur Bindungswirkung von falschen oder gar missbräuchlichen A1-Bescheinigungen das Höchstgericht der EU beschäftigt. Ob es hier gelingt, europaweit eine Lösung zu finden, welche all die verschiedenen, ambivalenten Ziele der Entsenderegeln – Wahrung der Dienstleistungsfreiheit, Schutz von Lohn- und Sozialniveaus der Hochlohnstaaten, fairer Wettbewerb – unter einen Hut bringt, ohne zu einem noch größeren bürokratischen Moloch zu werden, bleibt ebenso abzuwarten wie die Frage, wie der österreichische Gesetzgeber die Änderungen durch die neue Entsenderichtlinie letztlich in nationales Recht umsetzen wird.

Für Arbeitgeber ist und bleibt das Thema Entsendung – nicht zuletzt vor dem Hintergrund möglicher Sanktionen bei Verstößen – ein nicht zu unterschätzendes Problem in der täglichen Arbeitswelt. Trotz einer mittlerweile recht gut aufbereiteten und auch in mehreren Fremdsprachen verfügbaren Website (https://www.entsendeplattform.at/) kann insbesondere die Ermittlung des einschlägigen Kollektivvertrags für ausländische Arbeitgeber bei Entsendung nach Österreich im österreichischen Kollektivvertragsdschungel mit hunderten verschiedenen Kollektivverträgen eine unüberwindbare Herausforderung darstellen und bedarf jedenfalls einer detaillierten Prüfung. Es empfiehlt sich daher, im Einzelfall gesonderten Rechtsrat einzuholen und auch allfällige bestehende Regularien im Unternehmen (zB Entsende-Policies, Entsendungsvereinbarungen) auf den aktuellen Stand zu bringen.

Autoren: 
Walter Niedermüller
Philipp Bertsch

Fragen? Bitte kontaktieren Sie:
Walter Niedermüller
Florian Plattner

Praxisgruppen:
Arbeitsrecht

Wenn Sie zukünftige Ausgaben von need2know erhalten möchten, folgen Sie uns auf LinkedIn oder senden Sie eine E-Mail an subscribe@bpv-huegel.com.