COVID-19 Legal Update: Bauwerkverträge – Risikoverteilung nach der ÖNORM B2110

23. März 2020 – need2know

Viele Bauunternehmen haben – auch wegen und als Folge gesetzlicher Maßnahmen zur Eindämmung von COVID‑19 – den Baustellenbetrieb bis auf weiteres eingestellt. In der Regel ist die ÖNORM B 2110 in Bauwerksverträgen vereinbart.

Was müssen Auftragnehmer und Auftraggeber nach der ÖNORM B 2110 beachten?

Höhere Gewalt

Die Corona-Pandemie gilt als höhere Gewalt. Unter höhere Gewalt versteht man von außen kommende, unvorhergesehene und unabwendbare Ereignisse. Einschränkungen der Werkerbringung oder -abnahme verursacht durch die COVID-19-Pandemie oder -maßnahmen sind somit grundsätzlich ein Fall höherer Gewalt.

ÖNORM B2110 – Risikotragung durch Auftraggeber

Wenn die ÖNORM B 2110 vereinbart wurde – was regelmäßig der Fall ist – gilt 7.2.1 der ÖNORM B 2110. Der Sphäre des Auftraggebers sind Ereignisse zuzuordnen, durch die

  • eine vertragsgemäße Ausführung der Leistungen objektiv unmöglich wird, oder
  • die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht vorhersehbar waren und vom Auftragnehmer nicht in zumutbarer Weise abwendbar sind.

Es ist unzweifelhaft, dass die konkreten Auswirkungen und auch der Umfang der gesetzlichen Einschränkungen für den Auftragnehmer nicht vorhersehbar waren und in der Regel auch schwerlich in zumutbarer Weise abwendbar sind. Wenn ein Baustellenbetrieb gänzlich behördlich untersagt wird, was derzeit (noch) nicht bundesweit und generell der Fall ist, ist die Leistung schon objektiv unmöglich.

Durch COVID-19-Auswirkungen und/oder -maßnahmen bedingte Risiken von Mehrkosten und/oder Zeitverzögerungen trägt daher nach der ÖNORM B 2110 der Auftraggeber. Der Auftragnehmer hat Ansprüche aus Bauzeitverlängerungen und damit zusammenhängenden Mehrkosten.

Im Einzelfall ist zu prüfen, ob es dem Auftragnehmer allenfalls möglich ist, die Folgen der Einschränkungen in zumutbarer Weise abzuwenden; etwa durch Maßnahmen die Baustellentätigkeit (oder Teile davon) im möglichen und zulässigen Ausmaß aufrechtzuerhalten.

Insbesondere ist auch zu beurteilen, ob allenfalls mit dem behördlich angeordneten Mindestabstand von einem Meter (gilt für „Orte der beruflichen Tätigkeit“), der Baustellenbetrieb fortgeführt werden kann. Daraus resultierende Mehrkosten und zeitliche Verzögerungen hat wiederum der Auftraggeber zu tragen.

Nachweis durch Auftragnehmer

Der Nachweis von COVID-19 bedingten Einschränkungen ist vom Auftragnehmer zu erbringen. Das gilt insbesondere auch wenn die Leistungserbringung wegen eines Verbots oder einem Hindernis bei der Einreise in das Bundesgebiet von eigenem Personal oder von Sub-Unternehmern nicht möglich ist. Eine entsprechende Dokumentation ist empfohlen.

Einvernehmlicher „Baustopp“

Es ist zulässig, einvernehmlich einen „Baustopp“ zu vereinbaren. Einvernehmliche Regelungen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer sind der empfohlene Weg, mit den Folgen der allgemeinen Krise umzugehen.

Der einvernehmliche Baustopp und die damit verbundenen Folgen für die Bauausführung sowie die Kostentragung sind zu regeln und zu dokumentieren, um Streitigkeiten in der Zeit nach der Krise vorzubeugen.

Pönalen

Als Rechtsfolge für einen Verzug des Auftragnehmers sehen viele Werkverträge Pönalen vor.

Pönalen sind pauschalierte Vertragsstrafen. Regelmäßig werden Pönalen erst schlagend, wenn den Auftragnehmer am Verzug auch ein Verschulden trifft. Das wird bei der COVID-19 Pandemie und den damit verbundenen Maßnahmen im Regelfall nicht der Fall sein.

Wenn Pönalen verschuldensunabhängig vereinbart sind, wird deren Durchsetzung allenfalls an Sittenwidrigkeit oder den AGB-Grenzen der gröblichen Benachteiligung scheitern.

Pönalen unterliegen in jedem Fall dem richterlichen Mäßigungsrecht. Auf das richterliche Mäßigungsrecht können die Vertragsparteien im Werkvertrag nicht verzichten. Es ist davon auszugehen, dass ein Verzug, wegen der COVID-19 Pandemie/-Maßnahmen, maßgeblich bei einer gerichtlichen Mäßigung der Vertragsstrafe zu Gunsten des Auftragnehmers berücksichtigt würde.

Rücktritt vom Bauwerkvertrag – Behinderung länger als 3 Monate

Nach der ÖNORM können sowohl der Auftragnehmer als auch der Auftraggeber sofort vom Vertrag zurücktreten, wenn sich herausstellt, dass eine Behinderung der Leistungserbringung länger als drei Monate dauert oder andauern wird. Ein Rücktritt kann also bereits zu einem Zeitpunkt erfolgen, an dem absehbar ist, dass die COVID-19 Beschränkungen länger als drei Monate dauern werden. Auf die Folgen von Rücktritten sollte man sich vorbereiten. Insbesondere bei einem einvernehmlichen Baustopp sollten auch Regelungen zu diesem Rücktrittsrecht getroffen werden.

 

Der need2know-Beitrag bietet einen allgemeinen Überblick. Eine Prüfung, Beurteilung und Regelung des Einzelfalls bleibt notwendig.

Wenn Sie Fragen zum need2know-Beitrag oder ihren Bauprojekten/-verträgen haben, kontaktieren Sie bitte die Autoren oder Ihren regelmäßigen Ansprechpartner bei bpv Hügel.

Ihr Team von bpv Hügel ist auch bei allen anderen rechtlichen Fragen, insbesondere im Zusammenhang mit COVID-19, jederzeit für Sie ansprechbar.

Autoren: Paul Pfeifenberger, Dominik Geyer

Praxisgruppe:
Real Estate

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