COVID-19 Legal Update: Neuerungen im Insolvenzrecht II

Änderungen betreffend die Insolvenzordnung durch das 4. COVID-19-Gesetz

7. April 2020 – need2know

Am 3. April 2020 wurde im Nationalrat das 4. COVID-19-Gesetz (BGBl. I Nr. 23/2020) beschlossen, mit dem es im Bereich der Insolvenzen zu einigen nochmaligen Neuerungen und Nachschärfungen gekommen ist. Diese sollen hier kurz dargestellt und auch kritisch hinterfragt werden:

Die Änderungen in der Insolvenzordnung (IO) an sich, wiedergegeben in Art. 33 des 4. COVID-19-Gesetzes sind ohne große Bedeutung, dort geht es um Benachrichtigungen und das Ausstellen einer Bestellungsurkunde für den Masseverwalter. Wesentlich bedeutender sind die in Art. 37 angeführten Neuerungen im Rahmen des 2. COVID-19-Justiz-Begleitgsetzes, die massive inhaltliche Änderungen beinhalten:

1. Fristen im Insolvenzverfahren:

  • Die Unterbrechung der Fristen in Verfahren der Verwaltungsbehörden nach AVG bis zum 30.04.2020 gilt in Insolvenzverfahren nicht, dadurch bereits unterbrochene Fristen beginnen neu zu laufen.
  • Verfahrensrechtliche Fristen können in Insolvenzverfahren durch das Gericht angemessen, höchstens um 90 Tage, verlängert werden.
  • Weitere Fristenänderungen und Änderungen in der Zustellung werden hier ebenso außer Acht gelassen, wie Erleichterungen bei Zahlungsplänen in Privatinsolvenzen, alle diese betreffen ohnehin nur bereits anhängige Insolvenzverfahren.

2. Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung:

Von zentraler Bedeutung ist die im Vorfeld von der Praxis geforderte Neuregelung der Antragspflicht bei vorliegender Überschuldung, die sich nunmehr an der wesentlich sinnvolleren deutschen Regelung orientiert. War bisher nur die Frist, die zur Einbringung eines Insolvenzantrages bei vorliegender Überschuldung 60 Tage betrug, auf 120 Tage verlängert worden, ohne daran etwas zu ändern, dass sofort mit entsprechenden Maßnahmen (wie z.B. dem Erstellen einer Fortbestehensprognose) zu beginnen ist, bietet die nunmehrige neue Regelung tatsächlich eine „Verschnaufpause“ für Unternehmen, die in der aktuellen Krise selbst in die Überschuldung geraten sind:

  • Bei einer ab dem 01.03.2020 eingetretenen Überschuldung besteht bis zum 30.06.2020 keine Pflicht zu einem Eigenantrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.
  • Ebenso ist während dieses Zeitraums ein Insolvenzverfahren wegen Überschuldung auf Gläubigerantrag nicht zu eröffnen.

Diese Regelung ist dringend notwendig gewesen, um zu verhindern, dass gesetzestreue Geschäftsführer/Vorstände sinnlose – weil von vornherein nicht seriös abzugebende – Fortbestehensprognosen beauftragen, die letztlich nur zu weiteren Haftungen für die Berater, die diese erstellen, führen. Die Regelung gilt allerdings nicht bei Zahlungsunfähigkeit. In diesem Fall ist wie bisher „ohne schuldhaftes Zögern“ der Insolvenzantrag zu stellen. Interessant ist, dass die neue Bestimmung nicht, wie ursprünglich vorgesehen, nur für eine „nach dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes“ eingetretene Überschuldung gilt, sondern auch für jene Unternehmen, deren Überschuldung nach dem 29.02.2020 eingetreten ist.

Diese Regelung ist sinnvoll und zu begrüßen. Offen bleibt allerdings die Frage, wie mit jenen Insolvenzverfahren, die bereits aufgrund einer ab dem 01.03.2020 eingetretenen Überschuldung eröffnet wurden, zu verfahren ist.

3. Überbrückungskredite:

Eine Forderung der Banken an den Gesetzgeber war die Anfechtung von Überbrückungskrediten, die in der aktuellen COVID-19-Krise ja möglichst rasch und unbürokratisch gewährt werden sollen, auszuschließen. Vereinfacht gesagt, sind bei nachfolgender Insolvenz des Kreditnehmers die Rückzahlungen von Krediten, die während der Unternehmenskrise, obwohl der Kreditgeber diese Krise erkennen musste, gewährt wurden, durch den Masseverwalter anfechtbar. Die Forderung der Banken, dies auszuschließen, wenn sie mehr oder weniger ungeprüft Kredite auszahlen sollen, erscheint verständlich.

Dem ist der Gesetzgeber aber nur sehr unzureichend nachgekommen: Lediglich für jene Schuldner, die unter die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung (siehe oben Punkt 2.) fallen, wurde eine Anfechtung wegen Kennen-Müssen (also nicht bei positiver Kenntnis) der Zahlungsunfähigkeit (§ 31 IO) ausgeschlossen, sofern es sich um einen Kredit im Zusammenhang mit Kurzarbeit handelt und für diesen keine weiteren Sicherheiten bestellt wurden. Warum sich der Text in Anlehnung an die Bestimmung des § 31 IO wieder auf die „Zahlungsunfähigkeit“ bezieht, wenn er doch Kreditvergaben bei „Überschuldung“ regeln will, ist nicht ganz nachzuvollziehen. Dessen ungeachtet greift die Regelung aber gleich in mehreren Punkten zu kurz. Es müssen folgende Kriterien kumulativ erfüllt sein, damit es zu keiner Anfechtung kommen kann:

  • Der Schuldner muss aufgrund einer nach dem 29.02.2020 bis zum 30.06.2020 eingetretenen Überschuldung insolvent geworden sein.
  • Die Bank darf bei Kreditgewährung die Zahlungsunfähigkeit (oder doch gemeint Überschuldung?) nicht positiv gekannt haben.
  • Der Kredit darf ausschließlich zur Überbrückung bis zur Auszahlung der Kurzzeitarbeitsbeihilfe begeben worden sein.
  • Die Rückzahlung muss sofort nach Erhalt der Kurzzeitarbeitsbeihilfe erfolgt sein.
  • Es darf für den Kredit keinerlei Sicherheit aus dem Vermögen des Schuldners bestellt worden sein.

Ob diese Regelung dazu geeignet sein wird, die österreichischen Kreditinstitute zur Vergabe von unbürokratischen und nicht so streng geprüften Sanierungskrediten, die die Wirtschaft in der derzeitigen Krise dringend benötigt, zu animieren, darf bezweifelt werden.

4. Fazit:

Mit der Nachbesserung der Antragspflicht im Sinne der Sistierung derselben bei Überschuldung bis zum 30.06.2020 hat der Gesetzgeber eine zu begrüßende Neuregelung geschaffen, die wesentlich mehr Klarheit bietet, als die davor beschlossene Fristverlängerung. Die Geltung der Regelung auf den Beginn der COVID-19-Krise, also ab dem 01.03.2020 zurückzuverlegen, ist ebenso sinnvoll, wenngleich sie in Einzelfällen Fragen aufwerfen wird.

Die Regelung betreffend die Überbrückungskredite bleibt weit hinter den Erwartungen zurück und wird nicht geeignet sein, den in Schieflage geratenen Unternehmen zu den dringend benötigten raschen Finanzierungen zu verhelfen.

 

Autoren: Georg Rupprecht, Bernhard Schatz

Praxisgruppe:
Insolvenz und Sanierung

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