COVID-19 Legal Update: Bekämpfung von 2019n-CoV durch das Epidemiegesetz 1950

12. März 2020 – need2know

Die Bundesregierung hat am 10. und 11.3.2020 drastische Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus verkündet. Unser Partner Christian F. Schneider erklärt die wesentlichen Rechtsgrundlagen.

Welches Gesetz ist anwendbar und was sind die wesentlichen Regelungen?

Die von der Bundesregierung jüngst verkündeten Maßnahmen stützen sich auf das Epidemiegesetz 1950, BGBl 1950/186, das auf ein Gesetz aus 1913 zurückgeht. Gegenstand und Ziel des Gesetzes ist die Bekämpfung anzeigepflichtiger übertragbarer Krankheiten. Diese werden in § 1 aufgezählt, wobei dieser Katalog gemäß § 1 Abs 2 durch Verordnung des Gesundheitsministers erweitert werden kann. Betreffend den Coronavirus („2019n-CoV“) ist diese Erweiterung bereits durch die Verordnung BGBl II 2020/15 erfolgt, die schon am 26.1.2020 im Bundesgesetzblatt kundgemacht wurde. Seither ist eine Bekämpfung des Coronavirus auf Grund des Epidemiegesetzes 1950 möglich.

Zur Bekämpfung ansteckender Krankheiten im Allgemeinen und des Coronavirus im Besonderen ermächtigt das Epidemiegesetz 1950 zu einer Vielzahl von Maßnahmen. Hervorzuheben sind:

  • Anzeigepflichten und daran anknüpfend Registrierungs- und Erhebungspflichten (§§ 3 ff). Zu erwähnen ist, dass die Anzeigepflicht neben Angehörigen von Gesundheitsberufen etwa auch Haushaltsvorstände, Vorsteher von Bildungseinrichtungen, Hausbesitzer und Wohnungsinhaber sowie Inhaber von Gastgewerbebetrieben trifft.
  • Umfangreiche Vorkehrungen zur Verhütung und Bekämpfung ansteckender Krankheiten (§§ 6 ff). Dazu zählen insbesondere die Absonderung von Personen („Quarantäne“), Desinfektionsmaßnahmen, der Ausschluss von Personen von Lehranstalten, die Untersagung von Veranstaltungen mit größeren Menschenmengen, die Überwachung bestimmter Personen, die Schließung von Lehranstalten, die Beschränkung oder Schließung von Betrieben, Verkehrsbeschränkungen für Bewohner bestimmter Ortschaften oder mit dem Ausland, Vorschriften in Bezug auf inländische Verkehrsunternehmen.
  • Verstöße gegen die auferlegten Maßnahmen sind in den meisten Fällen mit Geldstrafe bis EUR 1.450,– bzw vier Wochen Ersatzfreiheitsstrafe sanktioniert; denkbar sind zudem Schadenersatzansprüche in ihrer Gesundheit oder ihrem Verdienst geschädigter Personen sowie Sanktionen nach dem Strafgesetzbuch: Neben den allgemeinen Körperverletzungs- und Tötungsdelikten ist hier auf die Tatbestände der vorsätzlichen bzw fahrlässigen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten hinzuweisen (§§ 178 und 179 StGB, Höchststrafe drei Jahre bzw ein Jahr).

Wer ist zuständig?

Wiewohl bei den einschlägigen Pressekonferenzen immer auch der Bundeskanzler und der Innenminister auftreten: Zur Vollziehung des Epidemiegesetzes 1950 ist gemäß § 51 von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen ausschließlich der Gesundheitsminister (derzeit: Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz) zuständig. Bei zahlreichen Maßnahmen wie insbesondere der Absonderung und Überwachung bestimmter Personen sieht allerdings § 28a die Mitwirkung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, sprich der Polizei vor.

Von der Zuständigkeit zur Vollziehung zu unterscheiden ist die Frage, welche Behörde konkret die Maßnahmen zu treffen hat: So ist für die Setzung der meisten Maßnahmen die Bezirksverwaltungsbehörde (Bezirkshauptmannschaft bzw Magistrat) zuständig; dies gilt auch für die Auferlegung von Quarantäne und die Untersagung von Veranstaltungen. Da das Epidemiegesetz 1950 als Teil des Gesundheitswesens in sog „mittelbarer Bundesverwaltung“ zu vollziehen ist (vgl Art 10 Abs 1 Z 12 iVm Art 102 Abs 1 Bundes-Verfassungsgesetz), kann allerdings der Gesundheitsminister im Wege der Landeshauptleute den Bezirksverwaltungsbehörden entsprechende Weisungen erteilen. Auf diese Weise wird beispielsweise auch das Verbot von Veranstaltungen mit mehr als 100 Personen indoor bzw 500 Personen outdoor umgesetzt.

Daneben kommen dem Gesundheitsminister aber auch unmittelbare Befugnisse insofern zu, als dieser zur Erlassung von Verordnungen, etwa betreffend Verkehrsbeschränkungen befugt ist. Von dieser Möglichkeit hat der Gesundheitsminister zwischenzeitig auch schon zahlreich Gebrauch gemacht, indem er etwa Betriebsschließungen ermöglicht sowie Beförderungsbeschränkungen im öffentlichen Verkehr, Landeverbote für Luftfahrzeuge aus bestimmten Ländern, die Einstellung des Zugverkehrs mit Italien, sowie Maßnahmen anlässlich der Einreise aus Risikogebieten verfügt hat. Die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen zu Italien erfolgte indes durch Verordnung des Innenministers auf Basis nicht des Epidemiegesetzes 1950, sondern des Grenzkontrollgesetzes.

Sind derart einschneidende Maßnahmen überhaupt zulässig?

Bei den Maßnahmen auf Grund des Epidemiegesetzes 1950 handelt es sich zum Teil um massive Grundrechtseingriffe, die aber wohl durch das besondere öffentliche Interesse am Schutz der Volksgesundheit gerechtfertigt sind.

Dies gilt auch für die Absonderung kranker, krankheitsverdächtiger und ansteckungsverdächtiger Personen gemäß § 7 Epidemiegesetz 1950, welche seit der Verordnung BGBl II 2020/21 auch im Zusammenhang mit dem Coronavirus möglich ist. Obwohl bei Quarantäne Personen angehalten oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränkt werden dürfen, sind diese Freiheitsentziehungen verfassungsrechtlich gedeckt: Sowohl Art 5 Abs 1 lit e der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) als auch Art 2 Abs 1 Z 5 des Bundesverfassungsgesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit (PersFrG) erlauben nämlich einen Freiheitsentzug auf unbestimmte Zeit, wenn Grund zur Annahme besteht, dass eine Person eine Gefahrenquelle für die Ausbreitung ansteckender Krankheiten darstellt; es genügt sohin der bloße Coronaverdacht.

Entsprechend den Vorgaben gemäß Art 6 Abs 2 PersFrG und Art 5 Abs 4 EMRK sieht § 7 Abs 1a Epidemiegesetz 1950 allerdings vor, dass eine Anhaltung vom örtlich zuständigen Bezirksgericht auf Antrag des Angehaltenen und alle drei Monate auch von Amts wegen daraufhin zu überprüfen ist, ob der Grund dafür noch weiter besteht.

Wie kann man sich zur Wehr setzen? Bestehen Entschädigungsansprüche?

Bei den im Einzelfall auf Grund des Epidemiegesetzes 1950 verfügten Maßnahmen handelt es sich entweder um Bescheide oder um sog „faktische Amtshandlungen“, die im Falle ihrer Rechtswidrigkeit mittels Bescheid- bzw Maßnahmenbeschwerde erfolgreich vor den Landesverwaltungsgerichten bekämpft werden können. Verordnungen könnten unter Umständen unmittelbar mittels sog „Individualantrag“ vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpft werden.

Von größerer praktischer Bedeutung erscheint indes, dass die §§ 29 ff Epidemiegesetz 1950 weitreichende Entschädigungsansprüche gegenüber dem Bund vorsehen:

  • Zum einen bei Beschädigung oder Vernichtung von Gegenständen im Zuge einer behördlichen Desinfektion.
  • Zum anderen als Vergütung für einen Verdienstentgang bei natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften insbesondere bei Quarantäne oder Überwachung von Personen, Untersagung der Erwerbstätigkeit oder Verkehrsbeschränkungen. Die Untersagung von Veranstaltungen begründet dagegen per se keinen Verdienstentganganspruch; inwieweit gleichwohl Ansprüche aus dem Titel der Beschränkung der Erwerbstätigkeit geltend gemacht werden können, wird durch die Rechtsprechung zu klären sein. Kein Entschädigungsanspruch besteht auch bei Umsatzrückgängen, die allein auf weniger Nachfrage zurückzuführen sind. Die Höhe der Entschädigung bestimmt sich bei Arbeitnehmern anhand der Höhe des regelmäßigen Entgelts bei Arbeitnehmern und bei Unternehmern anhand des vergleichbaren fortgeschriebenen Einkommens.

Der Entschädigungsanspruch ist jeweils verschuldensunabhängig, wobei zwei Punkte noch besonders hervorzuheben sind:

  • Der Antrag muss binnen sechs Wochen nach Beendigung der Desinfektion bzw Aufhebung der zum Verdienstentgang führenden Maßnahme bei der örtlich zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde gestellt werden, widrigenfalls der Anspruch erlischt. Entscheidend ist dabei das Einlangen des Antrags bei der Behörde, nicht die Absendung (VwGH 23.4.2002, 2000/11/0061).
  • Bei Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber mit der Entschädigung in Vorleistung zu treten und die Auszahlung an den Arbeitnehmer zu den üblichen Entgeltzahlungsterminen vorzunehmen. Der Anspruch geht dadurch auf den Arbeitgeber über, und der Arbeitgeber (nicht der Arbeitnehmer) hat ihn bei der Bezirksverwaltungsbehörde geltend zu machen (VwGH 29.3.1984, 84/08/0043). Die Missachtung dieses Umstandes wird den Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer schadenersatzpflichtig machen.

Autor:
RA Priv.-Doz. DDr. Christian F. Schneider

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christian.schneider@bpv-huegel.com

Praxisgruppe
Öffentliches Wirtschaftsrecht

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